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Mein Freund Jossele

Mein Freund Jossele

Titel: Mein Freund Jossele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Warum erlebe ich nie das kleinste Abenteuer?
    Was mich betrifft, so habe ich einmal eines erlebt, ein ganz kleines. An einer Straßenecke trat ein junges Mädchen auf mich zu, schlenkerte mit der Handtasche und fragte:
    »Wohin gehst du, Liebling?«
    »Zu Dr. Grünfeld«, antwortete ich wahrheitsgemäß und setzte meinen Weg fort.
    Das ist schon lange her. Jetzt muss ich sehen, wie ich von hier wegkomme.
    Während ich meinen Fluchtplan auszuarbeiten beginne, behalte ich die Leinwand gewissermaßen nebenbei im Auge, beobachte aber zugleich das Publikum, und . . . Und jetzt hat mich Giora gesehen.
    Gerade jetzt, während die Tochter des Hauses mit der herrenlos gewordenen Lesbierin in der Badewanne Platz nimmt, dreht sich dieser infame Lümmel um und fixiert mich. Meine Existenz als Gatte und Vater steht auf dem Spiel. Ich warte nur noch die nächste Vergewaltigung ab, dann drücke ich mich behutsam an den Sitzen vorbei bis zum Ende der Reihe. Fast habe ich's geschafft. Ein letzter Asthmapatient trennt mich vom erlösenden Mittelgang.
    Es ist Felix Seelig.
    Was bleibt mir übrig, als auf meinen Sitz zurückzukehren. Noch ein Glück, dass Felix mich nicht erkannt hat. Er hat mich nicht einmal bemerkt, so beschäftigt war er.
    Und ich hatte immer geglaubt, dass ich in einer gutbürgerlichen Gegend wohne. So sieht das also in Wirklichkeit aus. Lüsterne Heuchler, die im Schutz der Dunkelheit ihre schäbige Gier befriedigen.
    Vorausgesetzt, dass die Dunkelheit schützt.
    Ich wage nicht anderswohin zu schauen als auf die Leinwand, wo das Töchterchen mit seiner Gespielin wieder das Schlafzimmer betritt und den jungen Mann, der noch immer nicht gefrühstückt hat, unmissverständlich auffordert, den etwas schlapp gewordenen Postboten bei der Frau Mama abzulösen, damit sich der Herr Papa die Lesbierin vorknöpfen kann. Irgendwie klappt das nicht, sie geraten alle an- und durcheinander. Die Sache wird immer unübersichtlicher und langweiliger. Ich fühle deutlich, wie meine Männlichkeit nachlässt. Diesmal wird's monatelang dauern.
    Ich lasse mich auf den Boden gleiten, tappe umher, als ob ich etwas verloren hätte, krieche auf allen vieren die Sitzreihe entlang, vorbei an Felix, vorbei an Giora, und retiriere mit einem Seufzer der Erleichterung zur Ausgangstüre.
    Nie wieder Pornofilm. Nicht für mich. Und das ist endgültig. Ich bleibe noch bis zum Schluss dieses Films - aber dann: nie wieder.
    Um meine Erschöpfung zu überwinden, mache ich einen kleinen Umweg, ehe ich nach Hause gehe. An der Tür empfängt mich mein Sohn Amir mit einem niederträchtigen Grinsen, wie es nur Rothaarige produzieren können:
    »Papi«, sagte er. »Was höööre ich?«
    »Was hörst du?« herrsche ich ihn an. »Was? Dass ich im Kino war? Na und? Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig, aber wenn du's wissen willst: Eine Zeitschrift hat bei mir, weil ich ein berühmter Schriftsteller bin, einen Artikel über Pornofilme bestellt. Deshalb war ich im Kino. Beruflich.
    Um das Geld für deine Erziehung zu verdienen. Den Artikel kannst du in der nächsten Nummer lesen, du unverschämter Bengel.«
    Als uns der Strom gesperrt wurde
    Früher als alle andern hatten wir bereits Energieprobleme. Es waren die Pioniertage unseres Staates, als jeder Verbrauch von Treibstoff behördlicherseits eingeschränkt wurde, lange bevor ähnliches in der westlichen Welt geschah, die dazu erst des arabischen Öl-Embargos bedurfte. Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, dass nichts dergleichen notwendig wäre, wenn Moses für Ölvorkommen im gelobten Land gesorgt hätte.
    Unsere Hausfrauen vertraten immer schon den Standpunkt, dass elektrische Kochherde billiger kämen, dass sie die Pfannen sauberer ließen und dass es für die Kinder nicht so leicht wäre, das Haus mit Zündhölzern in Brand zu stecken. Ich gab meinen Widerstand auf. Ein altes Sprichwort besagt, dass es keinen Sinn hat, als blinder König unter lauter Einäugigen zu leben. Oder so ähnlich.
    Wir kochten elektrisch, die Obrigkeit merkte nichts, die Hausfrauen jubilierten, und einige von ihnen kauften sogar größere Herdplatten.
    Und dann schlug die Staatsgewalt zu.
    Es war, ich erinnere mich genau, an einem Mittwoch, als in unserer Straße ein in Khaki gekleideter Mann erschien und sich den Stromzählern des Hauses Nr. 4 näherte. Der Zähler von Frau Schapira beeindruckte ihn so sehr, dass er den Strom sofort sperrte. Frau Schapira stand ohne Elektrizität da und musste viele Male die

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