Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
wurde es dadurch, dass Taryn auch ging. Ich wusste nicht, welche Reaktion man von mir erwartete, aber es gefiel mir nicht.
Da B. J. und ich jetzt von niemandem mehr abgeholt wurden, mussten wir in der Tagesstätte bleiben, bis Pat kam, normalerweise gegen acht Uhr abends – außer donnerstags, wenn sie oft bis nach Mitternacht arbeiten musste. Alle Kinder in der Tagesstätte aßen ihr Abendessen auf dem Küchenboden, duschten kurz, spielten ein bisschen und gingen dann zum Schlafen in eines der Bettchen, die an der Wand des Wohnzimmers aufgestellt waren. Dort lernte ich zum ersten Mal etwas über Touch Assists. Man stellte uns dazu paarweise auf und zeigte uns, wie man sein Gegenüber mit einem Finger am Arm berührte. Die Touch Assists waren von LRH erdacht worden, damit der Thetan in uns besser mit unserem Körper kommunizieren konnte, zum Beispiel, um Heilungsprozesse zu verbessern.
»Spürst du meinen Finger?«, sagte ich zu meinem Partner, und der musste dann sagen: »Ja.«
Dann sagte ich: »Gut«, und wiederholte die Übung am anderen Arm. Danach kamen die Finger, Zehen, Beine und das Gesicht des Partners an die Reihe. Ich verstand das Konzept zwar nicht genau, merkte aber, dass mir die Touch Assists beim Einschlafen halfen.
Viele Kinder blieben über Nacht, aber B. J. und ich wurden von Pat abgeholt und in unsere eigenen Betten oder das Bett unserer Eltern gesteckt, wo sie gemeinsam mit uns schlief. Sie war unglaublich nett, und ich liebte sie sehr. Sonntags holte sie uns in der Wohnung ab und brachte uns zur Tagesstätte, wenn meine Eltern zur Int Base aufgebrochen waren.
Alle paar Monate gingen Pat oder Rosemary mit mir zu einer internationalen Versammlung von Scientologen, die in der Regel im Shrine Auditorium abgehalten wurde, einer riesigen Veranstaltungshalle auf der West 32 Street. Hunderte Scientologen und Sea Org-Mitglieder, die teils aus Los Angeles, teils von der Int Base kamen, nahmen daran teil. Zu diesen Gelegenheiten zog mich Pat immer hübsch an und machte mir Locken. Dann saßen wir zusammen im Publikum und hörten den Vorträgen zu. Ich wusste nicht, wovon die Rede war, aber mein Vater war oft einer der Starredner. Wenn ich ihn auf dem Podium sah, wurde ich so aufgeregt, dass ich »Hi, Daddy! Ich bin hier drüben!« rief und wie wild winkte.
Auch wenn mein Onkel Dave sprach, geriet ich aus dem Häuschen und brüllte: »Hi, Onkel Dave! Hier bin ich! Jenna!«
Wenn wir uns anschließend hinter der Bühne trafen, erzählten sie, sie hätten mir zugezwinkert oder mit dem kleinen Finger gewunken, als niemand hinsah. Ich hatte keine Ahnung, wie wichtig diese Events waren, aber sie dauerten immer mehrere Stunden, es gab immer wieder Standing Ovations und lautes, lang anhaltendes Jubeln, und das Essen beim Empfang danach war großartig.
B. J. und ich hatten gut ein Jahr allein in L. A. gelebt, als Pat uns mitteilte, dass wir auf die Ranch ziehen würden, wo auch Justin und Taryn lebten. Wir waren beide begeistert, obwohl wir nicht wussten, warum wir L. A. verlassen sollten. Es stellte sich heraus, dass jemand direkt vor dem Edgemont Building erschossen worden war, daher bestanden meine Eltern darauf, dass ich sofort zur Ranch gebracht wurde. Und B. J. musste natürlich mitkommen.
Am darauffolgenden Morgen packten wir unsere Sachen zusammen und warteten darauf, von Dads Sekretärin Rosemary abgeholt zu werden. Als sie kam, stiegen B. J. und ich auf den Rücksitz und rechneten fest damit, dass Pat ebenfalls einsteigen würde. Aber sie blieb vor dem Wagen stehen.
»Warum steigst du nicht ein?«, fragte ich und musste erfahren, dass sie nicht mitkommen würde. Wir fingen beide an zu weinen. Zwei Jahre waren wir zusammen gewesen. Ich war am Boden zerstört. Obwohl ich wusste, dass ich auf der Ranch meine Eltern vielleicht häufiger sehen würde, war ich dennoch sehr traurig. Mit Pat hatte ich mehr Zeit verbracht als mit meinen eigenen Eltern. Ich sagte ihr, wie sehr ich sie liebte, und versprach, sie oft zu besuchen. Nach einer letzten langen Umarmung stieg ich wieder ins Auto, und Rosemary fuhr los.
KAPITEL 4
Die Ranch
Es war eine lange Fahrt zur Ranch. Zuerst plapperten B. J. und ich aufgeregt, aber nach einer Weile fingen wir an, uns zu langweilen. Ich nickte kurz ein und schrak auf, als mein Kopf gegen das Fenster schlug, weil der Wagen über einen Buckel auf der gewundenen Schotterstraße gefahren war, in die wir eingebogen waren. Es war Frühling, März 1989, und alles um mich herum war
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