Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
den Hunden lag oder an der Lebensweise, in jedem Fall unterschied es sich beträchtlich von unserem Leben in L. A. Während der ersten Monate gab es nur ein paar Erwachsene, die auf die rund fünfzehn Kinder der Ranch aufpassten. Doch meistens kümmerten sich ältere Kinder um B. J. und mich und sagten uns, was wir tun sollten. Damals fand ich das toll, denn sie waren jung, wirkten cool und waren nett zu uns, obwohl sie sich oft über meine Kleider lustig machten.
Nicht lange nach unserer Ankunft lernten wir Joe Conte kennen, der kurz Mr. C genannt wurde. Er war der Leiter der Ranch. Es gab auch einen Wachmann, der ständig ausgewechselt wurde, und eine Frau namens Karen Fassler, oder Mr. F, wie wir sie nannten. Bei Scientology werden Erwachsene immer mit Sir oder Mr. angeredet, ganz gleich, ob es Männer oder Frauen sind. Mr. F war hübsch und ziemlich nett. Sie kümmerte sich um die Abläufe, die Uniformen, das Essen und andere Angelegenheiten. Mr. C war freundlich und lässig, groß und dünn, hatte einen Schnurrbart und eine Glatze. Er wirkte rau, wie jemand, der viel Zeit im Freien verbrachte; die Kinder fanden ihn alle klug und sehr cool. Damals waren meine Lieblingsbücher die für Kinder adaptierten Ausgaben der Chroniken von Narnia , und für mich war Mr. C Professor Digory Kirke.
Wir Kinder waren im Wesentlichen selbst verantwortlich für die verschiedenen Renovierungsarbeiten auf der Ranch. Normalerweise wurden Elektro- und Installationsarbeiten von einem Erwachsenen übernommen, der von der Int Base oder von einer Fremdfirma kam und uns half. Da die Ranch von der Stadt und dem Landkreis inspiziert wurde, musste alles seine Ordnung haben. B. J. und ich waren immer noch viel jünger als die anderen Kinder, daher bestanden unsere ersten Aufträge darin, Müll aufzusammeln, meinem Bruder beim Errichten einer Trockenmauer das Werkzeug zu reichen oder unsere neuen Kommoden zu lackieren.
Nach einem harten Arbeitstag war mein größter Spaß eine »wilde Fahrt«. Dazu setzte Mr. C bis zu zehn Kinder auf die Ladefläche seines blauen Trucks und fuhr dann wie ein Wahnsinniger querfeldein, wobei er jeden Buckel mit hoher Geschwindigkeit nahm. Am Anfang hieß es noch, ich wäre zu klein dazu, aber schließlich überredete ich Mr. C, es mich mal versuchen zu lassen, und die größeren Kinder pressten mich an sich, während wir über das Gelände tourten.
Jeden Samstagmorgen kam eine Gruppe Erwachsener von der Int Base und blieb den ganzen Tag, um zu helfen und zu begutachten, was wir gemacht hatten – manchmal kam sogar Dad, und ich durfte mit ihm zusammen arbeiten. Die Samstage hießen bei uns nur Renos , das war die Abkürzung für Renovierungstag. Alle Kinder mussten irgendwie mitarbeiten, doch da ich noch so jung war, erwartete man von mir nicht viel. Normalerweise holte ich nur Getränke, behielt Maße im Kopf oder hielt Schrauben für die Erwachsenen, die immer sehr freundlich zu mir waren. Abgesehen von den wenigen Erwachsenen, die zu den Renos kamen, oder einem angeheuerten Facharbeiter, waren die älteren Kinder als Arbeitskräfte für die Renovierung der Ranch gedacht – genau wie unter der Woche. Aber das fand ich ganz normal, denn obwohl mein Bruder und seine Freunde noch Kinder waren, kamen sie mir eigentlich schon wie Erwachsene vor.
Zuerst wurden die Motels, dann das Schulgebäude renoviert. In den Motels wurde jedes Zimmer gestrichen und bekam einen Teppich, selbstgenähte Vorhänge und eine Heizung. Dann kamen drei oder vier Stockbetten hinein, damit sechs bis acht Kinder darin schlafen konnten. Jeweils zwei Zimmer teilten sich ein Bad mit einer Toilette, einer Dusche und zwei Waschbecken. Jedes Kind hatte eine eigene Kommode, die wir selbst lackiert hatten. Alle Betten bekamen zueinander passende Bettdecken und Bettlaken. Die Mess Hall wurde vom Big House in einen großen Saal in einem der Motels verlegt. Außerdem wurde eine Waschküche mit ein paar Waschmaschinen und Trocknern eingerichtet. Irgendwann wurde sogar der Swimmingpool gereinigt, ausgebessert und wieder nutzbar gemacht.
Als Nächstes kam das Schulgebäude an die Reihe. Die Wände wurden mit Gemälden von der Apollo und der Freewinds verziert. Dabei durfte ich sogar mithelfen, obwohl ich hauptsächlich ganz unten an der Wand herumpinselte. Aber als ich das fertige Bild der Freewinds sah, war ich begeistert, weil das Schiff doch so lange ein Projekt meiner Mutter gewesen war. Abgesehen von den Schiffen sah man im Schulgebäude auch
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