Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
gefährliche Minenfeld, durch das wir uns nun navigieren mussten. Jeder hatte seine eigenen Vorstellungen davon, dass wir uns auf die eine oder andere Art der Church gegenüber verhielten. Ich wünschte mir natürlich, sie alle zufriedenzustellen, Vorrang hatte für mich aber immer meine Ehe mit Dallas, in der Entscheidungen allein von uns beiden zu treffen waren.
Dallas’ Eltern ließen uns bei sich wohnen und gaben uns Jobs in ihrem Geschäft. Ihr Schmuckladen wurde betont scientology-freundlich geführt. So mussten alle neuen Angestellten einen Einführungskurs in Scientology besuchen, ob sie nun Scientologen waren oder nicht. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass er zwar viele öffentliche Scientologen anstelle, aber gewöhnlich keine ehemaligen Sea Org-Mitglieder. Für uns würde er aber eine Ausnahme machen.
Als wir uns am ersten Tag zur Arbeit meldeten, war mir mulmig zumute. Ich wurde im Personalbüro eingesetzt. Trotz meines befangenen Auftretens begrüßten die Kollegen mich alle sehr freundlich. Sie waren in einem Maße zuvorkommend, aufrichtig, rücksichtsvoll und hilfsbereit, wie ich es in der Church niemals kennengelernt hatte. Unangenehm an dem Job war lediglich, dass Scientology zur Lösung aller anstehenden Probleme herangezogen wurde. Ich versuchte gerade Abstand zu Scientology zu gewinnen. Auch wenn ich noch daran glaubte, so brauchte ich doch dringend eine Pause und hatte keine Lust, Nicht-Scientologen den betreffenden Methoden zu unterziehen.
Die Umstellung auf ein Leben außerhalb der Kirche nahm bei mir erheblich mehr Zeit in Anspruch als bei Dallas. Ich besaß keinen Führerschein und wenig Erfahrung im Umgang mit Wogs. Jede Nacht plagten mich Albträume. Entweder wurde ich darin von Angehörigen der Kirche verfolgt, die mich zurückholen wollten, oder sie versuchten, Dallas zu einer Rückkehr zu bewegen, und ich musste ihn retten.
Wenige Tage nach unserer Ankunft in San Diego fing Linda bereits damit an, den Vater von Dallas anzurufen und ihn aufzufordern, doch herauszufinden, wie wir zur Kirche standen und wie unsere Pläne aussahen. Das führte zu einigen Spannungen zwischen Dallas’ Eltern und uns. Sie wollten, dass wir unser Verhältnis zur Church wieder in Ordnung zu bringen versuchten, und da wir gemeinsam mit ihnen wohnten und arbeiteten, konnten wir uns dem nicht entziehen und ungestört für uns sein. Einmal reisten sie sogar nach Los Angeles, um sich mit Linda zu treffen, die ihnen unsere negativen Berichte zeigte. Die hinterhältige Art, in der Dallas’ Eltern benutzt wurden, gefiel mir gar nicht. Zum einen wollten sie sicherstellen, dass wir ihnen keine Schwierigkeiten bereiteten, jetzt da wir aus der Sea Org ausgetreten waren. Zum anderen – und das ärgerte mich noch stärker – verwandten sie eine Anhörung der Eltern dazu, diese darauf hinzuweisen, welch schlechten Einfluss ich auf ihren Sohn ausübte. Sie legten ihnen Berichte vor, die zeigten, wann sich sein Verhalten zu ändern begonnen hatte und wie genau das mit der Entwicklung unserer Freundschaft zusammenfiel.
Trotz all dieser Ärgernisse genossen Dallas und ich unsere frisch gewonnene Freiheit außerhalb der Church. Sobald wir ein wenig Geld verdient hatten, kauften wir uns eine eigene Wohnung im Zentrum von San Diego. Wir hatten sogar zwei Hunde. Wir konnten meine Eltern in Virginia besuchen, wo wir auch Justin und Sterling trafen, der inzwischen ebenfalls die Sea Org verlassen hatte.
Auf der Arbeit sprach ich häufig mit Leuten, die sich für die Church interessierten. Sie erkundigten sich, wie ich dort aufgewachsen war, und waren über meine Antworten zutiefst entsetzt. Sie fanden solche Dinge eindeutig nicht normal und boten mir sogar ihre Hilfe an. Durch ihre Sichtweise begriff ich nach und nach, wie befremdlich meine Kindheit gewesen war.
Noch kein Jahr nach unserem Austritt erhielten Dallas und ich Vorladungen des Committee of Evidence , das unsere Stellung zur Church klären sollte. Bei einem CommEv sitzen vier Leute über dein Verhalten zu Gericht und urteilen, ob du der aufgelisteten Verbrechen gegen die Church schuldig bist. Ich hätte die Vorladung am liebsten sofort mit der Scheiße unserer Hunde gemeinsam eingetütet und zurückgeschickt, aber der Vater von Dallas überredete ihn, die Sache zu klären. Seine Eltern wollten Gewissheit darüber, dass sein Verhältnis zur Church unbelastet war und weder er noch ich zur SP erklärt wurden.
Es bedurfte einer Menge Überzeugungsarbeit, aber am Ende
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