Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
wir ein Auditing veranstalteten. Als Auditoren mussten wir unter allen Umständen verhindern, dass ein Preclear vor Ende der Sitzung ging. Unsere Aufgabe war es, ihn auf seinem Platz zu halten, bis wir ihm die Erlaubnis erteilten zu gehen. In dieser Übung lernten wir, das sowohl verbal als auch körperlich durchzusetzen. Ich hatte immer gehört, dass diese Übung die lustigste wäre. Sie verlief immer nach demselben Muster: »Geh zur Wand, danke.« Aber dieses Mal tat der Zwilling alles, um nicht gehorchen zu müssen: Er rannte weg, entzog sich, schrie, rührte sich nicht mehr und so weiter. Um Erfolg zu haben, musste man ihn körperlich dazu zwingen, dem Kommando zu folgen.
Bei einigen dieser Übungen war mein Freund Buster mein Zwilling. Aber er war so groß und kräftig, dass es für mich ziemlich schwierig wurde. Wie alle anderen, die diese Trainingsroutine mit ihm absolvierten, musste ich mit den Fingern seine Augen offen halten und seinen Kopf zur Wand drehen, wenn ich wollte, dass er zur Wand blickte. Das Schwerste war, ihn zur Wand zu bekommen, dann musste man ihn ziehen, schieben oder sogar tragen. Um das Ganze zu toppen, wurde man dabei ständig provoziert und durfte weder wütend werden noch lachen. Man bestand diese Übung nur, wenn man seinen Zwilling ungeachtet aller physischen oder verbalen Herausforderungen dazu brachte, das Kommando zu befolgen.
Als Nächstes mussten wir aus vollem Hals viereckige Glasaschenbecher anschreien. Damit sollten wir üben, vollkommen klar unsere Absichten auszudrücken, und wenn wir das schafften, würden wir unsere zukünftigen Preclears erfolgreich mit allen möglichen Dingen konfrontieren können.
Aber das war noch nicht alles. Um unsere Absichten verschiedenen Teilen des Aschenbechers klarzumachen, mussten wir ihm sehr präzise Fragen stellen. Denn die Absicht hinter einer jeden Frage war es, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, genau wie in einer Sitzung mit einem Preclear. Der Aschenbecher sollte viereckig sein und wir mussten Fragen an seine vier Ecken richten.
»Bist du ein Aschenbecher?«
»Bist du eine Ecke?«
»Bist du aus Glas?«
Dieselben Prinzipien, die wir als Auditoren zu lernen und zu begreifen versuchten, verhinderten, dass wir diese lächerlichen Aufgaben in Frage stellten. Wir hatten gelernt, Anweisungen Folge zu leisten, und nun lernten wir, andere dazu zu bringen, unseren Anweisungen Folge zu leisten.
Auch wenn all diese Übungen noch so verschroben waren, damals kamen sie mir vollkommen normal vor. Erst im Rückblick erkenne ich, wie bizarr sie waren. Stundenlang standen wir neben unserem Zwilling, in einem Raum voller Zweierteams, und jedes Team übte einen anderen Teil des Kurses. Manche gaben sich brüllend den Befehl, zur Wand zu gehen, während andere nur schweigend da saßen und sich in die Augen starrten. In einer anderen Ecke des Raums beleidigte jemand seinen Zwilling lautstark, während gleichzeitig ein paar Meter weiter jemand einem Aschenbecher Befehle zubrüllte.
All diese Übungen waren dazu gedacht, Auditoren dazu auszubilden, in den Sitzungen mit Preclears kommunikationsstärker zu werden und sich nicht ablenken zu lassen, doch im Grunde wurden wir nur immer mehr wie Roboter. Unsere Reaktionen wurden automatisiert, und alles, was wir sagten, folgte einem Script. Außerdem führten diese Übungen dazu, dass wir die Menschen in unseren Sitzungen nicht mehr als denkende und fühlende Persönlichkeiten betrachteten, sondern als Wesen mit reaktiven Gedankenmustern, die zu ihrem eigenen Wohl unter Kontrolle gebracht werden mussten. Der Dialog war dazu gedacht, sein Gegenüber zu entmenschlichen. Die Tatsache, dass wir mit einem Aschenbecher übten, unterstrich das nur. Besonders die Ton 40-Kommandos dienten dem Zweck, Menschen dazu zu bringen, widerspruchslos Befehlen zu folgen.
Bei solchen Kursen konnte man oft kaum sagen, worin die Fortschritte bestanden. Manchmal bemühte ich mich sehr, den Anweisungen zu folgen, erntete aber nur frustrierende Ergebnisse, andere Male wurde ich mit Erfolg belohnt. Es gab keine einheitliche Struktur, sodass auch kaum eindeutige Verbesserungen zu erkennen waren. Selbst wenn man bei einer Übung ein Naturtalent war, hatte man den Eindruck, dass man sie erst nach einer bestimmten Zeitvorgabe erfolgreich abgeschlossen hatte. Vieles schien auch dem Gutdünken des Kursleiters unterworfen, aber darüber dachte niemand nach, solange wir in den TR -Levels nur weiterkamen.
Die Ausbildung war harte
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