Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
›ja‹, selbst wenn man ›nein‹ gesagt hatte. Schlug sie nicht gleichmäßig aus, hieß das, man verbarg irgendetwas. Bei jeder Verfehlung, die man gestand, wurde in Folge geklärt, wann und wo sie stattgefunden hatte, was genau getan wurde – bis ins letzte Detail –, wie man sie rechtfertigte und wer sie fast herausgefunden hätte. Wie bei jedem Auditing endete der Security-Check mit einer Endprüfung beim Examiner . Wenn dort die Nadel nicht regelmäßig ausschlug, wurde man direkt zurückgeschickt, um die Unstimmigkeit aus dem Weg zu räumen.
Besonders quälend bei alldem war nicht so sehr der Umstand, dass die Fragen sehr persönlich waren, sondern wie unerbittlich die Prüfer vorgingen. Sie stellten eine Frage nicht nur einmal, und dann war das Thema erledigt, sondern immer wieder, und jedes Mal wuchs meine Angst, dass der E-Meter meiner Antwort widersprechen würde. Sie waren wie Polizisten, die einen Mord untersuchten, und wenn der E-Meter ihnen das gewünschte Ergebnis gab, dann war man schuldig.
Die Befragung selbst war schon zermürbend, doch die eigentliche Wirkung ging viel tiefer in die Psyche und war sehr beunruhigend: Durch die wiederholten Fragen begann man immer mehr an sich zu zweifeln, vor allem, wenn der E-Meter anzeigte, dass man eine Antwort auf heikle Fragen hatte. Zuerst sagte man die Antwort freiheraus, doch je öfter die Frage gestellt wurde, und zwar mit wachsender Intensität, desto mehr Zweifel kamen einem plötzlich. Dabei ging es um Geständnisse bezüglich einiger Dinge, die mit Sicherheit niemals stattgefunden hatten, doch wenn man dieselbe Frage nur oft und lange genug hörte, schwand die Sicherheit, und man fragte sich, ob die Antwort vielleicht falsch war. Vielleicht hatte man doch etwas getan, in einer Parallelwelt, und wusste nur nichts davon. Vielleicht verdrängte man auch etwas.
Jede Frage sorgte für einen inneren Konflikt: Wenn man zugab, etwas falsch gemacht zu haben, wurde man bestraft, doch wenn man die Wahrheit sagte und der E-Meter widersprach dem, dann wurde die Frage so oft wiederholt, bis man die Antwort gab, die sie hören wollten. Viele Male beendete ich eine Sitzung mit einem falschen Geständnis, nur um endlich Ruhe zu haben. Aber meistens betete ich nur, meine Nadel möge gleichmäßig ausschlagen.
Als Mr. Wilson endlich fertig war, schrieb er einen »Wissensbericht« über alles, was in meinen Sitzungen herausgekommen war. Diesen leitete er ans Ethik-Department weiter, woraufhin ich mich für jedes einzelne Vergehen verantworten musste, indem ich es rückgängig machte oder Wiedergutmachung leistete. Als ich das hinter mir hatte, teilte Mr. Gentry mir mit, ich würde am nächsten Tag mit der Sea Org- EPF beginnen.
Die EPF absolvierte jeder in seinem eigenen Tempo. Bei manchen dauerte es nur zwei, drei Wochen, bei anderen Monate. Es hing davon ab, wie lange man für die Durchleuchtung seiner Lebensgeschichte, für verschiedene Security-Checks und die erforderlichen Kurse brauchte. Die Kurse hatten alle etwas mit der Geschichte, dem Aufbau und dem Verhaltenskodex der Sea Org zu tun. Es gab Kurse wie Willkommen in der Sea Org , Einführung in scientologische Ethik , Persönliche Pflege und Grundsätzliche Ziele eines Sea Org-Mitglieds . Wir hörten uns auch verschiedene Aufnahmen von LRH an und lernten dabei, was die Ziele und Verhaltensweisen eines Sea Org-Mitglieds waren: »Der eigentliche Daseinsgrund der Sea Org ist, auf diesem Planeten und in diesem Universum in-ethics zu sein.«
Für die EPF musste ich in ein anderes Wohnheim in der Hacienda ziehen und mir das Quartier mit zwölf weiteren Mädchen teilen, die ebenfalls gerade in der Sea Org anfingen. Jeden Morgen wurden wir früh geweckt, zogen unsere Uniform aus blauen Shorts, blauen T-Shirts und Boots an und mussten uns militärischen Drillübungen unterziehen. Aber das machte mir nichts aus, weil ich das schon von der Ranch her kannte.
Als Nächstes fuhren wir mit dem Bus in die Flag, wo wir die verschiedenen Restaurants und Hotelzimmer im Fort Harrison und dem Hubbard Guidance Center putzen mussten. Dort bekamen öffentliche Scientologen ihr Auditing. Unsere Frühstückspause dauerte fünfzehn Minuten, dann mussten wir den ganzen Speisesaal putzen, in dem Hunderte von Mitarbeitern und Öffentlichen vor uns gegessen hatten. Wenn wir damit fertig waren, folgte die Studierzeit, und danach mussten wir wieder putzen, von den Treppen über die Küchen bis zu allen öffentlichen Räumen, bei
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