Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Arbeit, aber Auditoren hatten einen hohen Status, und ich wollte beweisen, dass ich es schaffen konnte. Ich hatte immer Tante Shellys Bemerkung im Hinterkopf, wie wichtig es war, ein guter Auditor zu sein. Sie hatte mir wiederholt gesagt, dass die besten Messenger Auditoren waren, und während meiner Zeit auf der Flag unterstützte sie mich bei meiner Ausbildung. Ich traf sie, wenn sie alle paar Monate nach Clearwater kam. Dann sprach sie mindestens eine Stunde mit mir, ermutigte mich und sagte, ich könne es schaffen. Sie rief mir immer wieder in Erinnerung, dass die Menschen nur mit Hilfe der Auditoren gerettet werden könnten.
Wenn ich nicht gerade in einem Auditorenkurs war, arbeitete ich stundenweise in der Abteilung der CMO , die für das ethische Verhalten der Leute verantwortlich war. Die Mitarbeiter dieser Abteilung hatten große Macht. Sie hatten die Befugnis, die Regeln durchzusetzen, und nutzten sie entsprechend. Da ich später diese Aufgabe in der CMO Int übernehmen sollte, war das eine gute Übung für mich, obwohl ich keine Strafen verhängen durfte.
Wie sich zeigte, kannte ich meine Mitarbeiterinnen Olivia und Julia schon über Valeska. Über sie hatten wir uns angefreundet, obwohl sie mindestens drei Jahre älter waren als ich. Ich freute mich, dass sie in der CMO und noch dazu in meiner Abteilung waren, denn so konnte ich mit ihnen zusammen sein, ohne Ärger zu bekommen. Sie waren beide sehr nett und äußerst hübsch. Offenbar war mein Onkel von ihren Fähigkeiten beeindruckt gewesen und hatte beide befördert.
Zu einer meiner Pflichten gehörte es, die Post, die die CMO -Mitarbeiter von ihren Angehörigen bekamen, zu Olivia und Julia zu bringen, die alles prüften. In der CMO hatte man schriftlich sein Einverständnis dazu geben müssen, dass die persönliche Post geöffnet und gelesen werden durfte. Jeder Brief wurde vor der Verteilung geprüft. Und wenn es nur die geringsten Anzeichen von Kritik an Scientology gab, wurde er nicht weitergeleitet.
Während ich mich an die Routine meiner Auditorenausbildung gewöhnte, störte es mich zunehmend, dass ich die nötigen Voraussetzungen zum Traineeprogramm der Sea Org eigentlich nicht hatte. Zwar hatte ich bei meiner Ankunft in der Flag gegenüber Tom erwähnt, ich sei nicht im EPF , dem Bootcamp der Organisation, gewesen, doch er hatte nur gemeint, darüber solle ich mir keine Sorgen machen. Obwohl ich versuchte, nicht daran zu denken, kam ich mir wie ein verkleideter Kadett vor, dabei wollte ich ein vollwertiges Sea Org-Mitglied sein.
Besorgt schrieb ich an Tante Shelly. In dem Brief teilte ich ihr mit, ich hätte die EPF nicht durchlaufen, obwohl das doch notwendig sei. Eine Woche später wurde ich ins Büro von Mr. Sue Gentry gerufen, der leitenden RTC -Abgeordneten auf der Flag. Als ich eintrat, gab sie mir einen Brief von Tante Shelly. Darin tadelte sie mich dafür, dass ich nicht ins Bootcamp wolle, und meinte, jeder müsse in die EPF , ohne Ausnahme, auch leitende Angestellte. Sie hatte meinen Brief eindeutig missverstanden und dachte jetzt, ich wolle mich um meine Pflicht drücken.
Offenbar hatte Tante Shelly Mr. Gentry angehalten, dafür zu sorgen, dass mein Anliegen Gehör fand, denn Mr. Gentry verkündete, es sei Zeit, einiges gerade zu rücken. Ich wurde unruhig, als ein weiterer RTC -Abgeordneter namens Wilson hereinkam und sagte, er werde sofort eine Sitzung mit mir durchführen.
Er begann mit den beiden üblichen Fragen, ob ich müde oder hungrig sei. Ich rechnete schon mit dem lauten Ton-40-Kommando: »Dies ist die Sitzung!«, doch stattdessen sagte er: »Dies ist kein Auditing.« Mir sank das Herz in die Hose. Wenn es kein Auditing war, konnte es nur ein Security-Check – mit anderen Worten: eine Beichte – sein. Im Gegensatz zum Auditing war eine Beichte nicht vertraulich und konnte mit disziplinarischen Maßnahmen geahndet werden.
Mein Beichtverfahren erstreckte sich über mehrere Wochen. Ich wurde zu allem Möglichen befragt: ob ich gestohlen hatte, ob ich ein Vergehen in der Zweiten Dynamik begangen habe, ob es irgendetwas gab, was meine Eltern nicht erfahren sollten. Die Befragung stützte sich wie immer auf die Ergebnisse des E-Meters. Wenn die Nadel nicht gleichmäßig ausschlug, variierte mein Auditor eine Frage so oft, bis die Nadel entweder eine klare Verneinung oder Bejahung anzeigte. Das Ergebnis des E-Meters wog immer schwerer als die Antwort, die man gab. Wenn die Nadel ›ja‹ sagte, lautete die Antwort auch
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