Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
aufwühlenden, gefühlsgeladenen Geschichten über persönliche Veränderungen anzuhören und nicht zu glauben, dass Scientology die Macht hatte, das Leben der Menschen und die ganze Welt zu verändern.
Ich nutzte diese Welle der Begeisterung, um mich in die Auditing-Ausbildung zu stürzen, für die ich zur Flag gekommen war. In der CMO und auch im Kurs gab es ein Mädchen in meinem Alter, das Luisa hieß. Wir freundeten uns schnell an. Ihre Familie kam aus Dänemark, doch da ihr Vater auf der Int stationiert war, war sie in L. A. aufgewachsen und vor der Flag auf der PAC Ranch in der Cadet Org von L. A. gewesen. Luisa war unglaublich schüchtern, hatte aber viel Sinn für Humor, und ich sah sofort, dass ich ihr vertrauen konnte.
Luisa und ich versuchten, im Kursraum ernst zu bleiben, aber manchmal ging es einfach nicht. Dann fanden wir immer öfter Möglichkeiten, in die Toiletten zu flüchten, wo wir zwischen zwei Kabinen einen Klopapier-Krieg anfingen. Ein anderes Mal jagten wir uns die Treppen hinauf und hinunter. Da wir im selben Wohnheim untergebracht waren, erzählte sie mir vor der Bettzeit oder während der Mahlzeiten Geschichten aus ihrer Kindheit auf der PAC Ranch. Ich bekam den Eindruck, dass die Kadetten dort viel weniger arbeiten mussten als wir, aber genauso schlimm behandelt wurden, vielleicht sogar noch schlimmer.
Mein neuer Kurs behandelte Professionelle Trainingsroutinen . Die Pro TR s wiesen zwar einige Ähnlichkeiten mit denen auf, die ich schon früher auf der Ranch durchlaufen hatte, waren aber viel anspruchsvoller. Um Auditor zu werden, musste ich sie absolvieren. Nachdem ich ein paar Tage die Theorie und Prinzipien der TR s gelesen und mir dazu Filme und LRH s Vorträge auf Band angesehen hatte, ging es ans praktische Üben. Es war von Anfang an grauenhaft. Ich konzentrierte mich nur darauf, irgendwie durchzukommen: Augen zu und durch.
Ich musste in der Lage sein, zwei Stunden unverkrampft auf einem Stuhl vor einem anderen Studenten zu sitzen, ohne mich zu rühren, zu sprechen, zu zucken, zu husten oder übermäßig zu blinzeln. Wie viele andere brauchte ich Wochen, bis ich diese Trainingsroutine absolviert hatte. Einmal hatte ich neunzig Minuten lang reglos dagesessen, als sich plötzlich eine Fliege auf meine Nase setzte. Als ich sie wegpustete, war ich natürlich durchgefallen und musste von vorne anfangen. Es war eine solche Tortur, dass mir mehrfach die Tränen kamen. Es war mir kaum möglich, mich nicht zu bewegen. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie einfach ohne mich weggehen wollen, und nur mit äußerster Selbstbeherrschung gelang es mir, sitzen zu bleiben.
Die Provokations- TR war viel schlimmer als die Version für Kinder. Wir mussten zwei Stunden lang ertragen, wie man uns anschrie, sich über uns lustig machte und verbal sexuell belästigte. Einer der Supervisoren hatte sich darauf spezialisiert, Anzüglichkeiten von sich zu geben, auf die wir nicht reagieren durften. Eine gute Freundin von mir, die ebenfalls dreizehn war, wurde von einem männlichen Studenten provoziert, der sich stundenlang über ihre knospenden Brüste ausließ. Zwar war es ihr gelungen, nicht zu reagieren, aber ich fand die Vorstellung einfach abstoßend.
Als wir mit dem Pro TR -Kurs fertig waren, kamen die TR s der Höheren Indoktrinierung , bei denen wir etwas über Ton 40 lernten, einen mentalen Zustand, in dem wir absolut und hundertprozentig überzeugt waren und keinerlei Zweifel hatten oder Widerspruch duldeten. LRH glaubte, dass man den Gemütszustand aller Menschen auf einer Skala abbilden könne. Die Tonskala begann bei – 40, was für totales Versagen stand, und endete bei + 40, dem Zustand glücklicher Gelassenheit.
Die Tonskala war anwendbar auf die Art und Weise, den Tonfall und den emotionalen Zustand, in dem man etwas sagte. Ein Ton 40-Befehl beispielsweise war so mächtig und präzise, dass der Empfänger diesen Befehl in jedem Fall befolgen musste. Mein Zwilling und ich übten solche Ton 40-Befehle in den Trainingsroutinen, die in LRH s Grundsätzen beschrieben worden waren. Wir mussten an einer Wand sitzen und unserem Zwilling ein Kommando geben, das dieser dann zu befolgen hatte. Jedes Kommando wurde mit einem ›Danke‹ beendet.
»Sieh zur Wand, danke.«
»Geh zu dieser Wand, danke.«
»Berühre die Wand, danke.«
»Dreh dich um, danke.«
So ging das über Stunden.
Die nächste Übung sollte uns dabei helfen, die Kontrolle über diejenigen zu erlangen, mit denen
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