Mein geliebter Ritter
weiterzukämpfen, wie er sollte, hielt Martin mitten im Angriff inne und senkte die Spitze seines Schwertes.
»Was ist los?«, fragte Jamie. »Ich habe keine Pause anberaumt.«
Martin riss die Augen auf und machte eine seltsame Kopfbewegung zur Seite.
»In Gottes Namen, Martin, spuck’s einfach aus!«
»Sie ist hier«, flüsterte Martin laut genug, dass man es noch in einer Meile Entfernung hätte hören können.
Es gab bloß eine Frau, die seinen Knappen dazu brachte, sich wie der Dorftrottel aufzuführen.
Damit waren sie schon einmal zu zweit.
Jamie wappnete sich, Linnet zu sehen, bevor er sich umdrehte, doch er bemühte sich umsonst. Bei ihrem Anblick wurde ihm elend vor Verlangen. In ihrem creme-goldenen Kleid sah sie aus wie ein Engel, der vom Himmel gesandt war, um das Leben niederer Männer zu erhellen.
Er erinnerte sich daran, dass sie kein Engel war. Sie war ein kleiner Teufel.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Martin floh. Dafür brauchte er keinen Unterricht; der Junge wusste, wann man sich aus dem Staub zu machen hatte.
War Linnet hier, um ihn dazu zu bringen, seine Meinung zu ändern? Er sagte sich, dass es ihr nicht gelingen würde … doch er wusste, dass er sich etwas vormachte. Eine Berührung dieser langen, schlanken Finger, und er würde schwach. Er vermisste sie höllisch. Ihre Abwesenheit war steter Schmerz. Vielleicht war es ein Fehler, sich von ihr zu trennen. Würde er mit ihr mehr leiden als ohne sie?
»Wenn du dein Schwert in die Scheide steckst«, sagte Linnet ohne einen Anflug von Humor, »dann möchte ich mit dir reden.«
Offensichtlich war sie nicht hier, um ihn ihrer unsterblichen Zuneigung zu versichern und zu bitten, sie wieder aufzunehmen. Seufzend steckte er sein Schwert in die Scheide an seinem Gürtel. Dann verschränkte er die Arme, um ihr zu zeigen, dass er bereit war, ihr zuzuhören.
»Etwas Unerwartetes ist passiert.« Ihre Stimme war hoch vor Anspannung.
Linnet krallte die Finger in ihren Rock, und ihre Knöchel traten weiß hervor.
»Unerwartet?«, fragte er.
»Ich kann hier nicht darüber sprechen«, sagte sie und blickte zu den dunklen Fenstern hoch, die auf den leeren Innenhof führten. »Wir müssen irgendwohin, wo wir unbeobachtet sind.«
Er kniff die Augen zusammen und betrachtete ihre steife Haltung und die Linien der Anspannung in ihrem Gesicht. Irgendetwas hatte sie so durcheinandergebracht, dass sie ihren Stolz heruntergeschluckt hatte und zu ihm gekommen war.
Es kam ihm unwahrscheinlich vor, dass irgendjemand sie im Innenhof belauschte – doch offenbar war es hier nicht privat genug für das, was sie ihm zu sagen hatte. Seine Neugier war geweckt.
»Es gibt gleich um die Ecke ein altes Waffenlager, das nicht mehr genutzt wird«, sagte er und deutete auf eine verwitterte Holztür. »Niemand wird uns durch die Steinwände hören.«
Die Tür knarrte, als er sie öffnete. In dem düsteren Licht, das durch ein schmales Fenster weit oben am Dach hereinfiel, sah er zerbrochene Schilde und andere Waffen, die nicht mehr zu retten waren, in einem Haufen an einer Wand liegen. Zwei lange Bänke waren von einer dicken Staubschicht bedeckt.
»Ich habe keinen Umhang, auf den du dich setzen könntest.« Staubwolken stiegen auf, als er mit dem Ärmel an einer der Bänke herumwischte.
»Danke, aber ich möchte mich nicht setzen.«
Warum war sie so nervös? Es sah ihr gar nicht ähnlich. Er beobachtete sie genau, während er darauf wartete, dass sie es ihm erzählte. Als sie den Blick durch den Raum wandern ließ, begann sich ein Gedanke in seinem Kopf zu bilden.
Als sie immer noch nicht sprach, ermunterte er sie. »Du wolltest mir etwas sagen?«
»Aye, etwas, was ich nicht erwartete habe.« Einen kurzen Moment sah sie ihn an, dann wanderte ihr Blick wieder unruhig durchs Zimmer. »Ich dachte, du wolltest es wissen. Dass du mir helfen möchtest. Weißt du …« Sie hielt inne und benetzte sich die Lippen. »Weiß du …«
Es traf ihn wie ein Blitz. Jesus und alle Heiligen, steht mir bei! Linnet war schwanger. Von ihm. Eine Welle der Freude und der Verwunderung bildete sich in seiner Brust und brachte ihn fast zum Schweben.
»Das verändert natürlich alles«, sagte er, denn das tat es. »Das verstehst du doch, oder?«
Er hatte nie gedacht, dass er ein Mann wäre, der seine Frau einsperrte, doch er würde tun, was getan werden musste, um sie zu schützen, bis das Baby geboren war. Gewiss würde sie ruhiger werden, wenn sie ein Kind in den Armen
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