Mein geliebter Ritter
königliche Rat befürchtete, dass Gloucesters Anhänger im Parlament zu Gewalt greifen würden, deshalb haben sie den Parlamentsmitgliedern das Tragen von Waffen verboten.«
»Ich nehme an, sie haben nicht die Notwendigkeit bedacht, auch Holzknüppel in das Verbot aufzunehmen.«
»In der Tat.« Obwohl er es nicht wollte, amüsierte ihn ihr Kommentar. »Solange die Kaufleute und die anderen Anhänger Gloucesters mit Knüppeln bewaffnet sind, kommen wir nicht weiter. Bedford hat schon angedroht, die verfeindeten Mitglieder seiner Familie nach Nottingham zu verfrachten und sie zu zwingen, sich zu einigen.«
Beim Schnarren einer Tür hinter ihnen drehte Jamie sich um und sah, wie Stephen Carleton sich durch den Dienstboteneingang duckte.
»Stephen!«, stieß Jamie aus, als er ihm entgegenging, um ihn zu begrüßen. Stephen, der bloß zehn Jahre älter war als er, war für ihn mehr wie ein Bruder als wie ein Onkel.
»Du denkst, ich wäre deinetwegen gekommen?«, sagte Stephen. »O nein. Ich habe gehört, die überaus reizende und entzückende Lady Linnet sei hier.«
Stephen breitete die Arme aus. Linnet rannte zu ihm und ließ sich von ihm im Kreis herumwirbeln.
»Du kleiner Teufel, Linnet. Warum hast du uns nicht längst besucht?«, fragte Stephen. »Isobel hat mir aufgetragen, ich solle dich ordentlich ausschimpfen.«
»Wo ist Isobel?«, unterbrach Jamie eine für seinen Geschmack viel zu herzliche Begrüßung. »Ist sie nicht mitgekommen?«
»Sie kann zur Zeit nicht reisen«, sagte Linnet in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass sie ihn für einen Vollidioten hielt.
»Sie ist wieder schwanger«, sagte Stephen und grinste breit.
Mit einem warmen Lächeln, das ihre Augen zum Glänzen brachte, sagte Linnet: »Wie glücklich sie sein muss. Ich bin mir sicher, dass Isobel eine phantastische Mutter ist.«
Jamie erinnerte sich daran, dass Linnet selbst keine Mutter sein wollte; sie wollte Männer ermorden, die ihrer Familie unrecht getan hatten.
»Ich bin gerade erst eingetroffen, aber es hat keinen Sinn zu bleiben, wenn das Parlament nicht beschlussfähig ist«, sagte Stephen. »Ich habe vor, gleich kehrtzumachen und wieder nach Hause zu reiten. Ihr zwei solltet zu uns zu Besuch kommen, bis die Angelegenheit geklärt ist.«
Linnets Wangen wurden puterrot, und sie senkte den Blick zu Boden. Jamie glaubte nicht eine Sekunde, dass Stephen noch nichts davon gehört hatte, dass er und Linnet sich getrennt hatten. Als Jamie ihn finster anstarrte, lächelte Stephen bloß und schaute ihn erwartungsvoll an.
Jamie räusperte sich. »Ich werde für ein paar Tage kommen, da ich in der Nähe etwas zu erledigen habe.«
»Was denn?«, fragte Stephen, der verdammt gut wusste, dass Jamie das nicht vor Linnet erörtern wollte.
»Ich glaube, du weißt es.«
»Ich habe gehört, dass deine Mutter dir von dem Mönch erzählt hat, der dein Vater war, und dass du vorhast, das Kloster zu besuchen, in dem er lebte.«
Linnet schnappte hörbar nach Luft. Jamie beachtete sie nicht weiter; er wollte ihre Fragen nicht hören – geschweige denn beantworten.
»Offenbar bist du nicht mein einziger Onkel«, sagte Jamie. »Der Bruder des Mönchs wünscht, mich zu sehen.«
»Sir Charles Wheaton«, bestätigte Stephen. »Ich kenne ihn. Er ist ein guter Mann.«
Jamie seufzte. Neben Stephens geradezu unheimlicher Fähigkeit, Neuigkeiten vor allen anderen zu erfahren, schien er auch noch Gott und die Welt zu kennen.
»Hast du sonst noch etwas vor?«, fragte Stephen.
Jamie sagte sich, dass es keinen Grund dafür gebe, es nicht zu sagen; es war kein Geheimnis. Trotzdem bemühte er sich, Linnet nicht anzusehen, als er antwortete. »Ich habe vor, Lord Stafford aufzusuchen, um meine Verlobung mit seiner Tochter in die Wege zu leiten.«
Stephens Augenbrauen schossen in die Höhe. Dieses eine Mal hatte Jamie ihn überrascht. Stephen machte einen Schritt auf Linnet zu, als ergriffe er ihre Partei.
So viel zu der Behauptung, Blut sei dicker als Wasser.
30
»Halte deinen Schild höher!«, wies Jamie seinen Knappen an. Er trainierte mit Martin in dem kleinen Innenhof hinter dem Palast.
Martin hob seinen Schild hoch, und Jamie versetzte ihm einen heftigen Schlag mit der Breitseite seines Schwertes, der Martin drei Schritte zurückweichen ließ.
»So ist es richtig«, rief Jamie aus, als der Junge mit wirbelndem Schwert zum Gegenangriff ansetzte.
Martin besaß Talent für den Schwertkampf und wurde von Tag zu Tag besser. Doch statt
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