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Mein geliebter Ritter

Mein geliebter Ritter

Titel: Mein geliebter Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Mallory
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nickte, steckte er wieder die Nase über das Pergament und kritzelte eine Notiz. Sie ließ ihn im Wohnzimmer zurück, um in das angrenzende Schlafzimmer zu treten.
    Die Kehle schnürte sich ihr zu, und sie rang nach Luft.
    Plötzlich war sie wieder elf Jahre alt und versteckte sich mit ihrem Bruder unter dem schweren, dunklen Eichenbett. Hand in Hand hatten sie und François mit rasenden Herzen zugesehen, wie die Füße der Männer sich im Schlafzimmer hin und her bewegten. Ihre Handflächen wurden schweißnass, als sie sich an die Stimmen der Männer erinnerte, die sich darüber stritten, wer was nehmen würde. Das silberne Ende eines Gehstocks wurde bei jedem Entschluss entschieden auf den Boden gestoßen.
    Sie drehte sich so schnell um, dass sie ihren alten Diener erschreckte. »Warum ruht Ihr Euch nicht hier im Wohnzimmer ein wenig aus, Master Woodley, während ich auf den Speicher hinaufgehe. Es ist unwahrscheinlich, dass dort oben irgendetwas ist, was es lohnt, aufgehoben zu werden, und die Treppe ist steil.«
    »Habt herzlichen Dank, Mylady«, sagte er und nickte.
    Sie verließ rasch den Raum, denn sie wusste, dass er sich in ihrer Anwesenheit nicht setzen würde.
    Die Wände und die niedrige Decke schienen sich immer dichter auf sie zuzubewegen, als sie zu den winzigen Zimmern unter dem Dach hinaufstieg.
    Nichts hier entwickelte sich so, wie sie es erwartet hatte. Fünf lange Jahre hatte sie sorgfältig daran gearbeitet, ihre Ziele zu erreichen. Zuerst hatte sie Louis geheiratet, um die finanziellen Mittel und die Unabhängigkeit zu erlangen, die sie brauchte, um die Geschäfte ihres Großvaters wieder aufzunehmen. Indem sie ihren Bruder als Strohmann nutzte, hatte sie sich einen Namen im Tuchhandel gemacht.
    Dann war sie bereit. Ihren ersten Angriff startete sie in ihrer Heimatstadt Falaise, wohin sie sich zurückgezogen hatten, nachdem sie in London und Calais alles verloren hatten. Innerhalb eines halben Jahres zerstörte sie das Geschäft ihrer »guten alten Freunde«, die ihren Großvater während seiner langen Krankheit übervorteilt hatten.
    Wie sie vermutet hatte, waren es nicht die Männer aus Falaise gewesen, die den Niedergang der Geschäfte ihres Großvaters eingefädelt hatten. Sie waren bloß die Aasgeier, die die Überbleibsel in Falaise an sich gerissen hatten.
    Von Falaise aus war sie der Spur der Schuld zu den ehemaligen Geschäftspartnern ihres Großvaters in Calais gefolgt. Diese Männer waren raffinierter und ausgekochter. Sie hatte vier Jahre gebraucht, bis ihr eigenes Geschäft groß genug war, um es mit einem nach dem anderen von ihnen aufzunehmen. Jeder Einzelne der Partner ihres Großvaters in Calais hatte einen Teil seines Geschäfts und seines Besitzes für sich beansprucht. Doch keiner von ihnen hatte den Löwenanteil bekommen.
    Als sie schließlich einen von ihnen so weit hatte, dass er bis über die Ohren bei ihr verschuldet war, hatte er gestanden. Ein Londoner Kaufmann hatte hinter dem Plan gesteckt, das Geschäft ihres Großvaters zu ruinieren. Die Männer in Calais hatten seinen Namen nie erfahren; die ganze Kommunikation war über Mittelsmänner erfolgt.
    Der Brief der Königin, in dem sie Linnet um einen Besuch bat, hatte sie zu einem günstigen Zeitpunkt erreicht. Die beiden Frauen hatten in den Monaten, die Linnet in Paris verbracht hatte, bevor sie der Obhut ihres Vaters entronnen war, eine ungewöhnliche Freundschaft geschlossen. Von Anfang an hatte sie sich in der Beschützerrolle für die naive Prinzessin gesehen, die direkt aus einem Kloster an den dekadenten Hof gekommen war.
    Linnet würde das Bestmögliche für ihre Freundin tun. Doch während sie hier in London war, hatte sie auch vor, die Identität dieser schattenhaften Gestalt zu erfahren, die ihr Leben zerstört hatte.
    Ihn zu finden würde sich natürlich als schwierig erweisen. Die Londoner Kaufleute hassten ausländische Kaufleute und würden einen der ihren beschützen. Doch sie verfügte über das feinste flandrische Tuch, das in London zu haben war. Um es in die Finger zu bekommen, mochte ein Londoner Kaufmann sogar gewillt sein zu vergessen, dass sie aus dem Ausland stammte und überdies eine Frau war.
    Mychell war einer der Männer gewesen, deren Stimmen sie an jenem fürchterlichen Tag unter dem Bett gehört hatte. Aber er war bloß ein Lakai, eine Nebenfigur in dem großen Plan. Er war nicht schlau genug, den Niedergang eines Kaufmanns zu planen, dessen Handelsbeziehungen von der Normandie bis nach

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