Mein geliebter Ritter
leben kann, könnt Ihr mir das sagen?«, verlangte die Königin zu wissen und zeigte damit mehr Trotz, als Linnet je erlebt hatte. »Wie lange muss ich noch warten? Drei Jahre? Fünf? Zehn?«
Die Königin machte ein paar Schritte von ihr fort.
»Ihr seid keine Mutter, Ihr wisst nicht, wie es ist, wenn Euch Euer Sohn genommen wird«, sagte die Königin mit Tränen in den Augen. »Ist mir denn nichts erlaubt? Kein Ehemann, kein Kind, nicht einmal ein Geliebter? Soll ich eine alte Frau werden, bevor ich die einfachen Dinge erlebt habe, die jede andere Frau im Königreich haben kann?«
»Ihr müsst geduldig sein«, sagte Linnet, obwohl die Worte der Königin ihr den Wind aus den Segeln genommen hatten.
»Was würdet Ihr tun?«, wollte die Königin wissen. »Würdet Ihr Euch alles, was Ihr Euch wünscht, von ihnen verbieten lassen?«
Linnet antwortete nicht, denn sie wussten beide, dass sie mit Zähnen und Klauen um das kämpfen würde, was sie haben wollte. Trotzdem war es nicht der Weg, den sie sich für ihre Freundin wünschte.
Jamie war allein in seinem Schlafzimmer, als er das Klopfen an seiner Tür hörte. Da er niemanden sehen wollte, ignorierte er es und schrieb weiter an dem Brief an seine Eltern. Es war klug von seiner Mutter gewesen, darauf zu bestehen, dass alle ihre Kinder Schreiben lernten. Eines Tages müsst ihr möglicherweise eine Nachricht verschicken, die nicht einmal euer Schreiber sehen soll.
Als das Klopfen andauerte, fluchte er leise vor sich hin und legte den Brief beiseite. Wer auch immer gekommen war, war verdammt ungeduldig. Auf dem Weg zur Tür blieb er kurz stehen, um sich zu recken.
Als er sie aufmachte, wurde sein Mund bei dem unerwarteten Anblick von Linnet vor seiner Schlafzimmertür ganz trocken. Das Haar hing ihr in einem locker geflochtenen Zopf über die Schulter wie eine dicke Kette aus weißem Gold.
Sie trug ihren Morgenrock.
Oh, aye. Wenn sie gekommen war, um ihn zu verführen, war er mehr als bereit. Seine ganzen Pläne, ihr zu widerstehen, lösten sich auf wie Dunst in der Sommersonne. Sie hatte diese entschlossene Miene aufgesetzt, die er so sehr liebte. Wenn sie entschlossen war, ihn zu nehmen, dann würde er ihr gerne geben, was sie haben wollte.
»Mach die Tür zu«, sagte sie, als sie an ihm vorbeirauschte. Sie trat in die Mitte des Raumes, wo sie sich umdrehte und ihn ansah.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, griff er hinter sich und schloss die Tür. Er musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle.
Warum hatte er versucht, dagegen anzukämpfen? Jetzt da sie in ihren Nachtgewändern vor ihm stand, konnte er sich an keinen einzigen Grund erinnern.
Sie verschränkte die Arme unter der Brust und reckte das Kinn vor. »Ich hoffe, wir können unsere Differenzen beiseiteschieben, um die Königin vor ihm zu retten.«
»Sie retten?« Sein Verstand war noch nicht ganz bei der Sache. »Vor wem?«
»Vor diesem verschlagenen Freund von dir, Owen Tudor. Vor wem sonst?«
Er betrachtete sehnsüchtig die weiße Haut ihres Halses, die im Ausschnitt ihres Morgenrocks zu sehen war, und folgte dann der verführerischen Kurve ihrer Brüste unter dem Stoff.
»Du bist hier, um über die Königin zu reden?«, fragte er schließlich und hoffte, dass er sich irrte.
Sie beugte sich vor, wobei sie die Fäuste in den Falten ihres Morgenrocks ballte. »Hast du nicht einen Eid geleistet, sie zu beschützen?«
Die Königin. Linnet redete über die Königin.
»Owen ist ein guter Mann«, sagte er um Konzentration bemüht. »Er wird der Königin treu ergeben sein.«
»Wenn es dabei bleibt, bin ich einverstanden.« Sie presste die Lippen aufeinander und legte den Kopf in den Nacken, um die Decke anzustarren. Nachdem sie tief eingeatmet hatte, richtete sie ihren strengen Blick wieder auf ihn. »Jamie, ist dir nicht aufgefallen, wie die Königin ihn ansieht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Männer! Ihr bemerkt auch gar nichts!« Sie atmete noch einmal tief ein. »Da du blind bist, will ich es dir verraten: Ihre Königliche Hoheit schaut Owen an, als wollte sie ihm am liebsten Honig von der Haut schlecken.«
Jamie öffnete den Mund, schloss ihn und schluckte. Nach einer ganzen Weile sagte er: »So gern hat sie ihn?«
»Niemand zieht in Erwägung, Honig von deinem Körper zu schlecken, Jamie Rayburn, hör also sofort auf damit, mich so anzusehen.«
Das war eine schwere Enttäuschung.
»Die Lage ist ernst«, sagte Linnet. »Ich sage dir, die Königin steht kurz davor, eine große Dummheit zu
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