Mein geliebter Ritter
zum Abendessen in den Saal hinunterging, erfuhr sie den Grund dafür.
»Ich habe den Nachmittag mit meinem neuen Kammerdiener verbracht«, flüsterte Königin Katharina ihr zu, bevor sie ihre Plätze an der Tafel einnahmen. »Es ist so viel zu tun! Ich hätte schon längst jemanden für diese Aufgabe einstellen sollen.«
»Den ganzen Nachmittag?«, fragte Linnet in der Hoffnung, sich verhört zu haben.
»Es ist eine Erleichterung, Owens Hilfe zu haben«, sagte die Königin lächelnd, während sie den Blick in die Ferne schweifen ließ.
»Owen? Solltet Ihr ihn nicht Master Tudor nennen?«
Die Königin lachte leise auf. »Seit wann kümmert Ihr Euch um solche Dinge? Soweit ich weiß, tut Ihr die meiste Zeit genau das, was Ihr wollt, und lasst Euch von niemandem Vorschriften machen.«
»Ich bin auch nicht die Königin von England«, flüsterte Linnet. »Und auch nicht die Schwester des französischen Thronanwärters.«
Ihre Freundin schenkte ihr das huldvolle Lächeln, das sie aufsetzte, wenn sie den Bauern von ihrer Kutsche aus zuwinkte. Dann erblickte sie jemanden und hob die Hand.
»Master Tudor«, sagte die Königin, als Owen sich zu ihnen gesellte. »Ich hatte gehofft, wir könnten unser Gespräch beim Abendessen fortsetzen.«
Die Königin nahm Owens Arm. Als er sie fortführte, zwinkerte sie Linnet über die Schulter zu.
Beim Abendessen ging das Schauspiel weiter; Owen versprühte Charme wie ein Bauer Jauche, und Königin Katharina suhlte sich darin wie ein glücklicher Hund.
Spät in der Nacht besuchte Linnet die Königin in ihren Gemächern. Die Königin, die nie früh zu Bett ging, war noch angekleidet.
»Wieso lauft Ihr in Eurem Nachtgewand im Palast herum?«, fragte die Königin, die zarten Augenbrauen bis halb zum Haaransatz hochgezogen.
»Mein Schlafgemach ist bloß ein paar Türen entfernt«, sagte Linnet. »Ich konnte nicht einschlafen und hoffte, wir könnten uns unterhalten.«
»Natürlich.«
Ein Blick von Linnet reichte aus, dass die französischen Hofdamen zurückblieben, während sie Königin Katharina in deren privaten Salon begleitete.
Kleider und meterweise farbenprächtige Stoffe lagen über jedem Stuhl und jeder Bank. Die Königin und ihr neuer Kammerdiener waren emsig gewesen. Linnet suchte noch nach einer Möglichkeit, wie sie die Sprache am besten auf Owen bringen konnte, als die Königin es für sie tat.
»Was wisst Ihr über Owen Tudor?«, fragte die Königin, während sie eine Bahn Seide von der Farbe reifer Erdbeeren durch ihre Finger gleiten ließ.
»Soweit ich weiß, entstammt er einem alten walisischen Adelsgeschlecht«, erzählte Linnet. »Sein Vater ist ein walisischer Rebell, der jahrelang im Untergrund gelebt hat.«
»Dann ist er also niemand von Bedeutung«, sagte die Königin nachdenklich.
Linnet fragte sich, worauf die Königin hinauswollte. Einen Moment später traf sie die Erkenntnis wie ein Blitzschlag.
»Königliche Hoheit, darf ich offen mit Euch sprechen?«, fragte sie. »Ich habe das Gefühl, als müsste ich es. Um Eurer eigenen Sicherheit willen.«
Die Königin nickte seufzend.
»Obwohl Owen Tudor nicht so gefährlich wie Edmund Beaufort ist, heißt das noch lange nicht, dass er ungefährlich ist.«
»Was könnt Ihr an Owen Schlimmes finden?«, fragte die Königin. »Er ist ein Niemand.«
»Ich muss Euch warnen. Owens Mangel an einflussreichen Beziehungen wird ihn nicht davor bewahren, einflussreiche Feinde zu bekommen, wenn Ihr Euch mit ihm … einlassen solltet.«
»Ich habe den Mann erst heute kennengelernt.« Königin Katharina schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. »Er kümmert sich um meine Garderobe, das ist alles. Ihr macht Euch zu viele Sorgen.«
Linnet fühlte sich ein klein wenig besser, bis ihre Freundin hinzusetzte: »Ich bin mir sicher, dass sowohl Gloucester als auch der Bischof es als unter ihrer Würde betrachten, sich damit zu befassen, mit wem ich mich anfreunde.«
»Ich bitte Euch, provoziert sie nicht, Königliche Hoheit«, sagte Linnet. »Die beiden haben viel zu verlieren. Wer weiß schon, was sie tun würden?«
»Aber sie können doch nichts gegen einen einfachen walisischen Diener haben«, beharrte die Königin.
Linnet berührte ihre Freundin am Arm. »Ich weiß, dass es ungerecht ist. Irgendwann werden sie Euch eine diskrete Liebschaft gestatten – vielleicht sogar eine zweite Ehe. Aber jetzt noch nicht. Nicht solange der Kampf um die Macht so erbittert tobt.«
»Wie lange dauert es noch, bis ich unbehelligt
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