Mein geliebter Wuestenprinz
leg es in ihren Schnabel. Dann wird sie nicht versuchen, dich anzugreifen.“
Vorsichtig fütterte Jayne den Vogel. Nachdem Noor das Fleischstück verspeist hatte, legte sie den Kopf schief und sah Jayne erwartungsvoll an. „Genug fürs Erste“, sagte Jayne streng. „Wo ist Khan?“, fragte sie dann, an Tariq gewandt.
„Khan ist vor langer Zeit gestorben“, antwortete er in einem Ton, der verriet, dass er an mehr als den Tod seines Lieblingsfalken dachte.
„Deinem Vater geht es wesentlich schlechter, als ich dachte.“ Jayne konnte nicht anders und musste das Thema anschneiden.
„Ich habe dir doch gesagt, dass er im Sterben liegt.“
„Aber … aber mir war nicht klar, wie schlimm es wirklich ist. Der Krankenpfleger meint, dein Vater hat Krebs.“
Tariq nickte. „Er hat so sehr dagegen gekämpft. Nun hat er den wichtigsten Kampf seines Lebens verloren.“
„Es tut mir leid.“ Die Worte klangen so unzureichend in ihren Ohren.
Tariq schien dasselbe zu denken. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch. „Das bezweifle ich. Du hast ihn immer gehasst.“
Darauf erwiderte sie nichts. Jetzt war kaum der geeignete Moment, um Tariq zu erklären, dass es andersherum gewesen war. Scheich Rashid hatte sie gehasst, und zwar so sehr, dass sie vor Angst nicht mehr ein noch aus gewusst hatte. Wie einen Eindringling hatte er sie behandelt und jede Gelegenheit genutzt, sie genau das spüren zu lassen. Schließlich war es ihm dann gelungen, Tariq gegen sie einzunehmen.
Der Falke bewegte sich unruhig. Jayne sah die Lederfesseln. Noor ist genauso eine Gefangene, wie ich es damals gewesen bin, dachte sie. „Noor möchte, dass du dich um sie kümmerst.“
„Sie ist bloß hungrig und will etwas zu fressen.“ Er griff in den Eimer, der Falke streckte sich gierig. Im nächsten Moment legte Tariq ein Stück Fleisch auf seinen Handschuh, und Noor nahm es mit dem Schnabel auf.
„Hier, gib ihr auch noch etwas.“
Wieder fütterte Jayne den Vogel. Diesmal stieß Noor einen kurzen Schrei aus. Daraufhin warf Jayne dem Falken einen misstrauischen Blick zu.
„Keine Angst, sie wird dich nicht fressen“, meinte Tariq amüsiert. „Es ist leicht, einen Falken zu zähmen. Er darf niemals satt werden.“
Noor beäugte Jayne. „Ich glaube, sie mag mich nicht“, erwiderte Jayne zögernd.
„Sie ist ein Vogel“, erklärte Tariq ungeduldig. „Noor unterscheidet nicht zwischen Mögen oder Nichtmögen. Sie will bloß, dass man ihre Bedürfnisse befriedigt. Das hat nichts mit Gefühlen zu tun.“ Er warf Jayne einen herausfordernden Blick zu. „Typisch Frau.“
Jayne ignorierte die spitze Bemerkung. „Sie ist so anmutig und gleichzeitig so kraftvoll.“ Sie wollte den Vogel streicheln, doch Noor breitete die Schwingen aus.
„Vorsicht. Sie ist ein Raubtier und wird niemals wirklich zahm.“
„Hat sie Hunger? Und nimmst du sie mit auf die Jagd? Oder fliegt sie dann weg?“
„Sie hat genug gefressen. Und selbst wenn ich sie mit auf die Jagd nähme, würde sie nicht wegfliegen. Unser Verhältnis ist klar geregelt. Denn es basiert auf Vertrauen – im Gegensatz zu den meisten Beziehungen zwischen Mann und Frau. Noor ist sicher, dass sie Futter von mir bekommt. Ich bin sicher, dass sie zurückkehrt.“
Der Hieb saß. Einem ersten Impuls folgend, wollte Jayne etwas Heftiges erwidern. Aber sie riss sich zusammen und wechselte das Thema. „Dein Vater hat etwas zu mir gesagt.“
Tariq sah sie aufmerksam an. „Und was?“
„Ich konnte es nicht genau verstehen. Anscheinend hat er mich für jemand anderen gehalten. Er hat mich Lina genannt.“
„Das ist unmöglich“, widersprach Tariq hart. „Du musst dich verhört haben.“
Dass er so aufgebracht reagierte, verblüffte Jayne. „Was meinst du damit?“
„So hat er meine Mutter immer genannt“, antwortete er tonlos.
„Vielleicht möchte er sie sehen.“
„Nein.“ Er machte eine heftige Bewegung, und der Falke schlug aufgebracht mit den Flügeln. „Meine Mutter ist in Zayed nicht willkommen.“
Sie wartete auf eine Erklärung. Da Tariq jedoch nichts weiter preisgab, hakte Jayne nach: „Ich habe deine Mutter nicht kennengelernt. Du hast nie von ihr gesprochen.“
„Was meinen Vater und mich betrifft, existiert sie nicht.“
„Aber du hast doch Kontakt zu deinen Cousins mütterlicherseits, oder?“
„Das ist etwas anderes. Wir sind nicht nur blutsverwandt, sondern auch Geschäftspartner. Manolis besitzt Öltanker, ich Raffinerien. Wir haben also guten Grund,
Weitere Kostenlose Bücher