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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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Stefan?«
    »Mama?« Er klang so weit weg. So jung. So jämmerlich. O Gott.
    »Ist was passiert?«
    »Mama, ich hatte einen Snowboard-Unfall.« Ein kurzes Ächzen, wie unter Schmerzen. »Ich liege im Krankenhaus in Kempten. Kannst du kommen?«

4   Mutterliebe
    »Das ist nicht dein Ernst. Ein gebrochener Fuß und ein Splitterbruch am anderen Bein?« Wanda blickte auf das Häufchen Elend, das unter einer Krankenhausdecke lag, der rechte Fuß in Gips, das linke Bein hochgelagert und der Unterschenkel mit einer eigenartigen und furchterregenden Metallfixierung verschraubt. Stefans Gesicht war kalkweiß unter der sommerlichen Restbräune, die nie ganz zu verschwinden schien, weil er sich ständig auf irgendeine Art den Elementen aussetzte.
    Er schniefte. »Es hat sauweh getan. Gestern dann die OP , und diese Drahtdinger da halten alles in Position.«
    Der Kloß in Wandas Hals wuchs auf die Größe einer Wassermelone an. Es gab nichts Schlimmeres, als das eigene Kind leiden zu sehen, auch wenn es schon dreißig Jahre alt war und sich besagtes Leid in einem Anfall von Größenwahn und spätpubertärer Idiotie zugezogen hatte.
    »Was hast du denn nur wieder angestellt?«, fragte sie und drückte hilflos seine Hand, obwohl sie die Details im Grunde genommen gar nicht wissen wollte. Es war immer dasselbe. Wer sein Leben allen möglichen Extremsportarten widmete, der sammelte ausgekugelte Schultern, Brüche, Bänderrisse, Gehirnerschütterungen und Verstauchungen wie andere Leute Briefmarken oder Münzen.
    Stefan versuchte, seine Position im Bett zu ändern, und verzog vor Schmerz das Gesicht. Auf dem kleinen Nachttisch stand eine Genesungskarte, die einen Hasen in Skikleidung zeigte und mit den Worten »Bald machst du wieder große Sprünge« Trost spenden sollte. Sie war von Leuten unterschrieben worden, die Wanda nicht kannte. Wahrscheinlich auch von Stefans Kumpel, einem Typen mit halblangem Haar und fusseligem Vollbart, der auf der anderen Seite des Bettes saß und sich großzügig aus Mariannes Tupperdose mit Streuselkuchen bediente, den Wanda doch eigentlich für Stefan mitgebracht hatte. Seinen Namen hatte Wanda nicht verstanden, irgendwas mit Yussi oder Yanti. Yeti?
    »Wir haben Sprünge geübt«, ächzte Stefan. »Da war diese geile Wechte am Nebelhorn, ein großer Kicker, das hättest du sehen sollen.«
    Der Yeti nickte zustimmend und kaute.
    »Ein großer was?«, fragte Wanda.
    »Kicker. So ’ne Art Sprungschanze«, erklärte der Yeti mit vollem Mund.
    »Sprungschanze.« Wanda verdrehte missbilligend die Augen.
    »Jedenfalls war dahinter alles voller Neuschnee. Weißer, jungfräulicher Powder -Schnee, erste Sahne.« Stefan schloss in Erinnerung daran genießerisch die Augen, und Wanda fragte sich kurz, ob andere jungfräuliche Reize ihn je in seinem Leben in die gleiche Verzückung versetzen würden.
    »Na, und dann bin ich halt gesprungen«, fuhr er fort. »Aber da lag einfach noch nicht genug von dem Scheißschnee. Das konnte doch keiner wissen.«
    »Nee, das weiß doch jeder«, mischte sich der Yeti ein und spuckte dabei ein paar Krümel aufs Bett. »Erster Schnee Anfang November, Alter, da reicht ’ne kleine Windverwehung und hui ist er weg. Da warst du schon echt behindert im Hirn.«
    Stefan sah trotzig zur Zimmerdecke. Wanda streichelte kurz seinen Arm. Es war ja jetzt auch egal. Wichtig war, dass er keine Schmerzen hatte. Sie konnte diese aus dem Bein herausragenden Metallteile gar nicht ansehen!
    »Mit dem Hubschrauber haben sie ihn geholt«, fuhr der Yeti fort. Seine Augen leuchteten. »Mensch – der Blick auf die Berge von da oben aus dem Ding, darum hab ich dich echt beneidet.«
    Wanda fragte sich nicht zum ersten Mal, warum junge Männer heutzutage so oft einen Dachschaden hatten. Lag es an der Ernährung? Dem Fernsehen? Oder beidem?
    »Wann kommst du denn nun hier raus?«, wandte sie sich rasch an Stefan. »Oder verlegen sie dich wenigstens nach Köln? Ich kann ja nicht die nächsten zwei Wochen dauernd nach Kempten fahren.« Von den Reisevorbereitungen für Australien ganz zu schweigen, fügte sie in Gedanken hinzu. Der Yeti lachte röhrend los. »Zwei Wochen? Zwei Monate wohl eher. Das is ’n Splitterbruch. Hatte mein Bruder auch mal. Ich noch nicht.« Fast wirkte er enttäuscht. »Das dauert ewig. Ewig! Die ganzen einzelnen Teilchen wieder zusammenbasteln, das ist wie ’ne Bombe entschärfen, totale Pfriemelarbeit. Dann noch mal OP , um das heavy metal wieder rauszuschrauben und dann noch

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