Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
noch mal vorbei.«
Wanda sah Marianne nach, wie sie zum Ausgang huschte, dabei Matti kurz zuwinkte, der sich beim Zurückwinken vor lauter Eifer beinahe seine winzig kleinen Kopfhörer herausriss.
»Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft«, murmelte Wanda und drehte sich kopfschüttelnd um. Bei Freundschaft fiel ihr etwas ein, so viel Zeit musste sein, dass sie mal in Stefans PC schauen konnte.
Siebenundzwanzig Personen gefiel das Studio Herkules auf Facebook. Warum genau, war nicht ersichtlich. Jemand hatte dem Herkules eine Aufforderung geschickt, eine Petition gegen Zwergziegenhaltung zu unterschreiben, ein anderer forderte, einen Link über Walforschung in Nordamerika weiterzuverbreiten, eine Kunstgalerie hatte einen Cartoon gepostet, den Wanda nicht verstand, weil er auf Französisch war und irgendetwas mit der Finanzkrise zu tun hatte. Wandas ohnehin nur rudimentäre Facebook-Kenntnisse versagten angesichts dieser absonderlichen Mitteilungen völlig. Was hatte das alles zu bedeuten? Wozu sollte das gut sein?
Zweiundzwanzig Leute waren am Dienstag ins Studio gekommen, zwanzig heute. Mitglied geworden war keiner außer Herrn Gilder, und der kam kostenlos herein. Wanda konnte es drehen und wenden, wie sie wollte – es floss immer noch kein frisches Geld in die Kasse. Sie vergrub kurz das Gesicht in den Händen.
»Alles klar?«, fragte Franziska neben ihr.
»Es kommt kein Geld rein. Ich muss die Leute irgendwie dazu bringen, Mitglied zu werden.« Wanda trommelte gedankenverloren auf der Tastatur herum. »Vielleicht gleich mit einem Jahresabo?«, überlegte sie laut. »Das wäre möglich. Da kommt sofort eine Stange Geld rein. Und wenn dann noch die restlichen Bodybuilder zahlen …«
»Die zahlen aber nicht. Ich habe gestern schon ein paar angesprochen, dass sie endlich zahlen sollen, die sagen ›Jaja‹ oder ›Mach ich bald, nur keinen Stress‹ und tun es dann doch nicht. Stefan muss bescheuert gewesen sein, keine monatliche Abbuchung einzuführen.« Franziska schüttelte den Kopf angesichts so viel Dummheit.
Wanda gab ihr insgeheim recht. Stefan mochte ein guter Snowboarder, Surfer oder Gewichtheber sein, als Geschäftsmann war er eine totale Niete. Aber das brachte sie jetzt auch nicht weiter. Ob sie Kai fragen sollte? Nein, lieber nicht. Sie hatte ja schon ein Attentat wegen des Kurses auf ihn vor. Im Stretching-Raum waren sie jetzt fertig, Wanda konnte begeisterte Gesichter erkennen und einen kleinen Pulk von Frauen, die um Kai herumstanden, weil sie »noch Fragen hatten«. Bei denen sie ihn natürlich immer wieder am Arm anfassen mussten, und bei denen es unbegreiflich viel kreischendes Gelächter gab.
Wanda seufzte.
»Mach doch mal ’ne Pause«, schlug Franziska vor. »Die nächste Welle kommt erst nach 18.00 Uhr, wenn sie alle Schluss haben, da hast du fast zwei Stunden Ruhe. Du wolltest doch auch mal in die Sauna. Ich mach das hier schon.«
»Wirklich?«
»Natürlich, Mama. Ich bin doch nicht blöd.« Franziska grinste, und Wanda fand, dass sie gar nicht mehr so bieder wirkte. Sie trug die Haare offen und hatte endlich diese potthässliche dunkelblaue Kostümjacke ausgezogen, in der sie immer wie eine Wärterin aus dem Frauengefängnis daherkam. Und Norbi fehlte auch, das war wohl der größte Unterschied. Aber eine Bemerkung dazu verkniff Wanda sich lieber.
Die Sauna war heiß und zum Glück leer. Die meisten der neuen Mitglieder waren von Kais Kurs erschöpft sofort nach Hause gegangen. Mit einem wohligen Seufzen streckte Wanda sich auf der obersten Bank aus. Herrlich. Die Geräusche der Außenwelt drangen nur noch wie aus weiter Ferne zu ihr, das gelegentliche Knistern des kleinen Saunaofens und der Geruch nach Holz wirkten beruhigend. Schade, dass Stefan keine Dampfsauna hatte einbauen lassen. So gab es da draußen nur die Duschen, ein kleines Tauchbecken und ein paar einsame weiße Plastikliegen. Daneben dümpelte ein Oleander vor sich hin, eine Kübelpflanze, die Biggi gestiftet hatte, um der Sauna ein mediterranes Ambiente zu verleihen. Vergeblich. Der Oleander wirkte seltsam fehl am Platz, wie ein Flamingo an der Haltestelle Herthastraße. Der natürliche Lebensraum des Oleanders war schließlich draußen in der Sonne, am Meer, irgendwo da, wo lässige, gutgelaunte Menschen stundenlang Espresso tranken. Weniger zwischen zerschrammten Plastikliegen im eher dunklen Erdgeschoss eines unsanierten Mietshauses. Wanda schloss die Augen, und in diesem Moment klapperte draußen
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