Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
etwas. Jemand kam herein. So ein Mist. Wanda zog ihr Handtuch ein bisschen fester um sich herum. Die Tür ging auf. Es war Kai. Ohne Handtuch. Das trug er in der Hand.
»Ach, du bist es«, rutschte es Wanda heraus.
»Schön heiß hier.« Er stieg ebenfalls auf die oberste Bank und setzte sich wie selbstverständlich neben Wanda.
Sie zog schnell ihre Füße weg und setzte sich auf. Plötzlich kamen sie ihr schrecklich hässlich und altfrauenhaft vor. Am Hals und an den Füßen und Händen erkannte man das wahre Alter einer Frau, da konnte sich Hollywood noch so sehr aufspritzen, glätten, vollpumpen und wieder absaugen lassen. In ein paar hundert Jahren, da war sich Wanda sicher, würden Archäologen in den Gräbern des frühen 21. Jahrhunderts lauter Skelette mit leeren Augenhöhlen und üppigen Silikonbrüsten vorfinden und sich verwundert am Kopf kratzen.
»Danke, dass du die Leute vorhin alle beschäftigt hast, Kai. Das war großartig.«
Er winkte ab. »Kein Problem. Mach ich doch gern. Der Klub hier ist mein zweites Wohnzimmer, seit meiner Trennung. Wäre doch schade, wenn er zumacht.«
Er erwähnte seine Trennung. Absichtlich? War er in der letzten Minute unmerklich ein Stückchen näher gerutscht? Oder litt Wanda an Halluzinationen?
»Was ich dich fragen wollte …«, setzte sie rasch an.
»Ja?« Er sah sie erwartungsvoll an. Er war definitiv ein Stück näher gerutscht, ihre Beine berührten sich fast. Das schmeichelnde Saunalicht ließ Wandas Haut rosig und nahezu faltenfrei erscheinen, und sie konnte kaum den Blick von den kleinen Schweißtropfen lösen, die sich an Kais Hals bildeten. Es war so lange her, seit sie einen Mann jenseits des Händeschüttelns berührt hatte …
»Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hättest, jeden Tag so einen Kurs zu geben.« Sie verhaspelte sich. Du lieber Himmel, beinahe hätte sie alte Leutchen gesagt, wie Kais Ex, diese geschniegelte Wienert. Dabei waren die Leute doch in Wandas Alter! »Oder wenigstens ein-, zweimal in der Woche?« Wolfgang hatte nie solche Muskeln gehabt. Er war mehr der hagere Asket, der Sport überflüssig fand, aber auch nie dick wurde, weil er kaum was aß.
»Klar, warum nicht. Ich helfe dir gern.« Sein Bein streifte wie zufällig ihres, und Wandas Herz setzte fast aus. Meine Güte, sie benahm sich wie ein Teenager. Aber war sie nicht auch fast wieder wie ein Teenager? Sie musste alles noch mal lernen, wie man flirtete, wie man Signale richtig deutete, wie man jemanden nicht vor lauter Eifer verschreckte und gleichzeitig nicht durch zu viel Abwarten entmutigte und …
»Wirklich gern. Du bist eine tolle Frau, Wanda. Wie du das hier alles anpackst, wie du deinem Sohn hilfst, das ist phantastisch. Das macht nicht gleich jeder.«
»Ich wollte eigentlich in der Zeit jetzt nach Australien fliegen«, platzte Wanda heraus.
»Alleine?«
»Mit einem … Bekannten.«
Die Enttäuschung stand Kai ins Gesicht geschrieben.
»Einem flüchtigen Bekannten«, fügte Wanda schnell hinzu und leistete bei Bertram in Gedanken Abbitte.
»Ich freue mich jedenfalls, dass du hiergeblieben bist. Sonst hätte ich dich ja nie kennengelernt.« Kais Stimme war fast nur noch ein Flüstern. Er sah sie direkt an.
Er ist zehn Jahre jünger, er ist zehn Jahre jünger, schrillte es in Wandas Kopf. Die Tür wurde plötzlich aufgerissen. Marianne stand davor, unermüdlich einen Eimer in der Hand, und schaute mit offenem Mund zu ihnen hinein. Wanda und Kai zuckten sofort auseinander.
»Keinen Schweiß aufs Holz«, befahl Marianne und knallte die Tür wieder zu.
»Ich …« Ein Glucksen stieg in Wanda hoch, das sich gleich explosiv entladen würde, erst recht, wenn sie noch eine Sekunde länger in Kais verdutztes Gesicht schaute. Der Moment war ohnehin vorbei. »Entschuldige.« Sie stürzte hinaus, aber Marianne war nicht mehr zu sehen. Das Tauchbecken war Wanda zu kalt. Frische Luft. Sie musste an die frische Luft. Zum Glück ging es hier gleich zum Innenhof. Sie schlang ihr Handtuch fest um sich und trat ins Freie. Tief durchatmen. O Gott. O Gott! Sie fing an zu kichern, dann bemerkte sie trotz der Dunkelheit mitten auf dem Hof eine komische Skulptur. Was war denn das? Ohne Brille konnte sie so schlecht sehen. Die Skulptur war lebensgroß und klobig, jetzt wackelte sie und teilte sich in zwei Hälften. Die rechte Hälfte sah aus wie Franziska. Das war Franziska!
»Ich kann gar nicht glauben, was ich hier mache«, sagte die gerade. Und trat wieder auf
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