Mein Herz in Deinen Händen
und diese Frau kann einen Mann zu Tode nörgeln.« Die Wahrheit stand Russell ins Gesicht geschrieben. Er mochte ein kleinlicher alter Wichtigtuer sein, aber er liebte seinen Sohn und litt mit ihm. »Das Schlimmste von allem ist dieser Ausdruck in seinen Augen, er wirkt so alt, als hätte er schreckliche Dinge sehen müssen.«
Ja, das stimmte. Sie hatte diesen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen, als sähe er in eine andere Zeit, eine andere Welt, und der einzige Weg zu überleben war, sich an einen Ort zurückzuziehen, wo weder Farben noch Gefühle existierten.
»Als du zu uns gekommen bist, wo auch immer du vorher warst, da haben wir dir jede Chance gegeben, eine von uns zu werden.« Mr Graham hielt den Blick auf seinen Sohn gerichtet, der den sperrigen Kompressor vom Wagen lud. »Aber du musstest ja unbedingt aus der Reihe tanzen.«
»Weil ich nicht wie alle anderen in Diamond sein wollte, meinen Sie? Ich bin nicht wie die anderen in Diamond.«
»Stimmt. Wer, zur Hölle, würde ein Mädchen wohl Pepper taufen?«
Sein Hohn tat weh. »Meine Eltern.«
»Deine Eltern. Wir kennen deine Familie aber nicht.« Mr Graham redete schnell, weil sein Sohn auf dem Rückweg war. »Nicht einmal du kennst deine Familie. Oder weißt du, wer deine Eltern sind?«
Dan schien das Gehör eines Pumas zu haben, denn er erwiderte von der anderen Seite der Einfahrt: »Doch, das weiß sie schon.«
Ihr stockte der Atem. Sie konnte die Menschen, denen sie von ihren Eltern erzählt hatte, an zwei Fingern abzählen: General Napier und Dan. Und jetzt würde Dan es seinem Vater erzählen. Mit vor Aufregung zitternder Stimme sagte sie: »Bitte, Dan. Nicht.«
Dan schenkte ihr keine Beachtung. »Sie ist die Tochter eines texanischen Pfarrers und dessen Ehefrau. Als sie acht war, sind ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie ist von ihren beiden Geschwistern und ihrem Pflegebruder getrennt worden und hat von da an in Pflegefamilien gelebt. Deswegen war sie so rebellisch, als man sie hergeschickt hat, und deshalb ist sie jetzt auch so entschlossen, etwas auf der Ranch zu versuchen.«
Sein Vater drehte sich zu ihr und starrte sie an. »Ist das wahr?«
Sie verschränkte die Arme und weigerte sich, ihm zu antworten. Mr Graham brauchte nichts von ihr zu wissen. Sie bedauerte es aus vielerlei Gründen, Dan von sich erzählt zu haben, aber am meisten bedauerte sie im Augenblick, dass Dan die Geschichte benutzte, um ihren Ruf reinzuwaschen. Es kümmerte sie nicht die Bohne, was Mr Graham von ihr dachte. Sie brauchte ihn nicht. Sie brauchte überhaupt niemanden...
Sie hörte im Geiste das Echo der rebellischen Pepper.
In Wirklichkeit kümmerte es sie sehr wohl, was Mr Graham von ihr dachte. Und sie brauchte ihn. Sie brauchte ihn, damit er ihr bei der Ranch half. Sie holte tief Luft und gab es zu. »Ja, das ist es.«
Er betrachtete sie ungläubig. »Warum, zur Hölle, hast du das nicht früher gesagt?«
»Weil es Ihnen solchen Spaß gemacht hat, mich für eine Promenadenmischung zu halten, die Ihren kleinen Danny vom rechten Weg abbringt.«
Dan baute sich neben ihr auf. »Das hast du auch.«
»Ich habe dich nirgendwohin gebracht, wo du nicht längst schon gewesen wärst.«
»So wie ich es verstanden habe, hat er dich an Orte geführt, an denen du nie zuvor gewesen bist.« Mr Graham betrachtete sie, während ihr die heiße Röte ins Gesicht stieg. »Hm.« Er warf Dan einen Blick zu, und seine Stimme erinnerte Pepper an die ihres eigenen Vaters. »Verdammte Jungs, haben ihr ganzes Hirn ständig in der Unterhose.« Er drehte sich zur Seite neben sie und wies auf die Wiese im Süden. »Dan meint, die Luzerne kann das erste Mal geschnitten werden, was hältst du davon?«
Pepper realisierte, dass er sie als Eigentümerin anerkannte. Einer kleinen Information wegen zollte er ihr Respekt.
»Ich weiß nicht recht, Mr Graham. Geben Sie mir einen Rat.«
»Du kannst Russell zu mir sagen.«
Russell begann einen detaillierten Vortrag, wann und weshalb die Luzerne zu schneiden sei, und Pepper dachte bei sich, dass sie ihm nicht nur die Gelegenheit gegeben hatte, das zu tun, was er mehr als alles auf der Welt liebte – etwas zu erläutern, über das er Bescheid wusste -, sondern auch eine Entschuldigung, sie zu mögen. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die lieber Freund als Feind war.
Sie … auch.
Dan sah selbstgefällig drein, als hätte er gerade ein Problem gelöst. Sie wollte nicht, dass er ihre Probleme löste. Sie wollte nicht in
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