Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Herz ruft deinen Namen

Mein Herz ruft deinen Namen

Titel: Mein Herz ruft deinen Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Tamaro
Vom Netzwerk:
um und musterte sie. »Hast du einen neuen Haarschnitt? Oder ein anderes Make-up?«
    Sie lachte: »Siehst du wirklich nicht, was sich verändert hat an mir?«
    Lange betrachtete ich ihr Gesicht. »Vielleicht doch, du bist ein kleines bisschen rundlicher.«
    Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. »Fühlst du es? Wir bekommen ein Kind.«
    Ich zog die Hand weg, als hätte ich mich an dem Bauch verbrannt. Das erste Wort, das mir in den Sinn kam, war das dümmste: »Warum?«
    Larissa lachte herzlich: »Wusstest du denn nicht, dass Kinder geboren werden, wenn man miteinander schläft?«
    Doch auf dem Weg zum Auto, betroffen von meiner plötzlichen, düsteren Stummheit, sah sie mich an: »Freust du dich nicht?«
    »Doch, natürlich«, antwortete ich gedankenverloren.
    »Warum umarmst du uns dann nicht?«
    Ich gehorchte, aber rein mechanisch. »Ich bin so überrascht«, fügte ich hinzu in dem Versuch, menschlich zu wirken, »damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.«
    Wir hätten noch eine Nacht dort im Hotel bleiben sollen, doch unter dem üblichen Vorwand, es gäbe einen Notfall, gelang es mir, in die Hauptstadt zurückzukehren. Ich wusste, dass ich es nicht ertragen hätte, noch eine einzige Nacht neben diesem Körper zu verbringen. Er enthielt meinen Samen, der heranwuchs – schon seit zwei Monaten hatte sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter eingenistet, und das, was nun da herumschwamm, unterschied sich nicht sehr von dem winzigen Neugeborenen eines Kängurus. Ich durfte keine Zeit verlieren, denn es war klar, dass ich keine Kinder mehr wollte – außer den beiden, die ich schon in meiner Granitkrypta beerdigt hatte.
    Zu Hause angekommen, rief ich sogleich meinen Kollegen an und fragte ihn ohne viele Umschweife: »Sie ist schwanger, was soll ich tun?«
    »Ich habe es dir ja gleich gesagt, oder?«, erwiderte er mit einem nervösen Lachen. »Pass auf. Das machen alle so – sie kriegen ein Kind, damit du dich zu dem Schritt entschließt, der ihnen am meisten am Herzen liegt. Du musst es schlau anstellen, um sie zu überzeugen.«
    Am nächsten Tag lud ich Larissa zum Abendessen ein, um meine mürrische Reaktion wiedergutzumachen. Ich bestellte mir eine Flasche kräftigen Wein und sagte beim zweiten Glas: »Ein Kind ist etwas Wunderbares, aber bist du sicher, dass du bereit dafür bist? Du bist noch so jung. Und was ist mit all deinen Plänen, dem Studium, den zukünftigen Konzerten? Wie willst du das alles unter einen Hut bringen? Nicht, dass ich kein Kind von dir möchte, doch vielleicht könnten wir uns etwas mehr Zeit lassen, unsere Beziehung noch etwas festigen.«
    Mit jedem Wort wurde ihr von der Kerze beleuchtetes Gesicht blasser. »Was willst du damit sagen?«, fragte sie und stellte ihr Glas auf den Tisch.
    »Nur, dass du darüber nachdenken sollst. Für alle Fälle habe ich Freunde im Krankenhaus …«
    »Für alle Fälle …?«
    »Nun, falls du es dir anders überlegst, falls du begreifst, dass es in diesem Augenblick doch eigentlich ein Wahnsinn ist.«
    Larissa sprang ruckartig auf und warf den Stuhl um. »Der einzige Wahnsinn bist du«, zischte sie und verschwand mit wütenden Schritten im Halbdunkel des Restaurants.
    Ich trank die ganze Nacht, und wie der Wind, der aufs Feuer bläst und die Flammen anfacht, weckte der Alkohol das Ungeheuer, das in mir schlummerte. Am nächsten Tag folgte ich ihr auf dem Weg zu ihrer Gesangsstunde, und bevor sie hineinging, machte ich ihr eine Szene. »Du hast alles getan, um mich reinzulegen«, brüllte ich und schüttelte sie, »und ich bin wie ein Esel darauf hereingefallen. Ich will keine Kinder! Keine mehr! Ich will keine Ehefrau und keine Kinder!« Stumm machte sie sich los und trat in den Hauseingang ihres Lehrers.
    »Du musst es schlauer anstellen«, riet mir mein Freund, als ich es ihm erzählte, »sonst schaffst du es nie. Sie wird dich verklagen, und dann musst du auch noch Alimente zahlen.«
    Also mobilisierte ich in der folgenden Woche, verängstigt von ihrer Entschlossenheit und den Dämonen, die in mir hausten, scheinheilig meine letzten lyrischen Reserven und schrieb ihr einen langen Brief. Ich hätte meine Meinung geändert, schrieb ich, denn ich hätte verstanden, dass ein Kind genau das sei, was ich nun brauchte, und sie sei die einzige Person auf der Welt, mit der ich es gerne wollte. Damit sie mir verzieh, bot ich an, sie ins Krankenhaus zu begleiten, um alle Routineuntersuchungen zu vereinfachen.
    Meine Worte rührten

Weitere Kostenlose Bücher