Mein Herz schlaegt fur uns beide
Würdest du bitte dieses eine Mal tun, was dir gesagt wird? Nur dieses eine Mal? Ich habe genug zu tun. Ich habe auch ohne diesen Unfug genug zu tun, Emma. Wirklich! Bitte, sieh dir nur mal mein Kostüm an!
Auch Dad sah ziemlich wütend aus. Die wichtigen Unterlagen, an denen er beim Frühstück geschrieben hatte, waren mit Wasser bespritzt worden, und ich konnte sehen, wie die Tinte zerlief, als er verzweifelt versuchte, die Blätter mit dem Ärmel seines Jacketts abzutrocknen.
Dad: Emma, zieh jetzt bitte deine anderen Schuhe an. Wir kommen alle zu spät.
Auf dem Weg zur Schule stellte Mum mir jede Menge Fragen: wie es mir ging. Ob ich gut schlafen könnte. Ob ich müde sei. Ob ich es anstrengend oder leicht fand, den steilen Hügel hochzugehen. Sie stellte mir immer solche Fragen. Es ging mir total auf die Nerven, weil die Antworten immer dieselben waren. Mir geht es gut. Ich habe gut geschlafen. Ich bin nicht müde, und den steilen Hügel hochzusteigen, ist ein bisschen anstrengend, weil er wirklich sehr, sehr steil ist. Sie war offenbar immer noch sauer auf mich, denn am Schultor gab sie mir keinen Kuss zum Abschied. Sogar Rory schaute zu mir hoch und sagte: »Freche Nudel.« Ich fühlte mich wirklich elend, als ich sah, wie Mum und Rory die Straße hinunterliefen.
Als ich in die Klasse kam, wurde ich ganz nervös. Was, wenn Lexi meine Mail gelesen hatte und sie einfach blöd fand? Was, wenn sie sich mit Greta wieder vertragen hatte und sie über mich lachten? Aber Lexi war gar nicht gekommen.
Sie kam auch am nächsten Tag oder am übernächsten nicht. Lexi kam die ganze Woche nicht zur Schule. Miss Cauber sagte nicht, warum, und niemand schien den Grund zu wissen. Ich hörte sogar, wie Greta sagte, sie fände es super, dass Lexi nicht in der Schule war, und sie hoffte, sie würde nie wieder kommen.
Na ja, was sie eigentlich sagte, war: »Die wären wir glücklich los«, und ich fand, dass sie das auf eine ganz besonders gemeine Ich-rede-wie-mit-einer-Wäscheklammer-auf-der-Nase-Art sagte.
In dieser ganzen Woche konnte ich nach der Schule meine Mails nicht lesen, denn Oma hat kein Internet, und wenn ich nach Hause kam, sagte Mum immer, es sei jetzt schon zu spät.
Dann fuhr Mum mit mir für das ganze Wochenende zu Tante Shelly und ich vergaß die E-Mails erst mal total.
Vor allem dachte ich gar nicht mehr an die E-Mails, als wir alle lange aufblieben und Tante Shelly ganz laut den Film »Mamma Mia« laufen ließ. So laut, dass der mürrische Nachbar von unten immer wieder gegen die Decke hämmerte, um uns klarzumachen, dass wir leiser stellen sollten, aber Mum und Tante Shelly sangen einfach immer lauter. Sie tanzten durch das winzige Wohnzimmer, bis Mum ein Glas Rotwein umstieß und ihn auf dem ganzen Teppich vergoss. Ich dachte, Tante Shelly würde jetzt richtig sauer werden, aber ihr war das egal. Sie brüllte nicht herum, sie kicherte nur und sagte: »Wie gut, dass die Schulleiterin nicht hier ist!« Mum und sie lachten und lachten darüber, bis ihnen beiden die Tränen über die Wangen liefen und Tante Shellys Make-up in ihrem Gesicht nach unten rutschte.
Als Mum mich ins Bett brachte, fragte ich sie, wie Tante Shelly das gemeint hatte.
Mum: Na, Oma war doch Schulleiterin, weißt du noch? Einmal, als Shelly ungefähr in deinem Alter war und ich babysitten sollte, während Oma Klavierunterricht gab – also, da hielt meine freche kleine Schwester es für eine hervorragende Idee, ein bisschen zu malen. Und Oma fand es gar nicht so komisch, überall auf ihren neuen Vorhängen rote Handabdrücke zu finden …
Aber ganz plötzlich verstummte Mum. Dann hob sie die Hand an den Mund und ich konnte Fast-Tränen in ihren Augen sehen. Eine ganze Zeit lang sagte sie nichts mehr, und ich überlegte, ob sie wohl an dasselbe gedacht hatte wie ich. Ich überlegte, ob sie auch an Laura gedacht hatte. An Laura und die »Topfkatastrophe«. Laura hatte nicht alles verschmieren wollen, und sie hatte nicht gewusst, dass es Farbe war, die man nicht abwaschen kann. Ich war ziemlich sicher, dass Mum und ich beide an Laura und die weißen Farbfüße gedacht hatten, mit denen sie durch die Küche und über den Wohnzimmerteppich getanzt war.
Ich sah, wie Mum sich eine Träne von der Wange wischte. Ich sah, dass sie ganz hart schluckte, und am Ende stürzte sie schluchzend aus dem Zimmer, und ich dachte, vielleicht habe ich alles noch schlimmer gemacht.
Am Montag war Lexi wieder in der Schule. Ich schaute immer wieder zu
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