Mein Herz so weiß
Väter und Söhne seid sehr ungeschickt miteinander.‹ Und sie hatte noch hinzugefügt, mit Recht und Hochmut: ›Vielleicht hat er dir seine Geschichte nie erzählt, weil er nicht wusste, wie er es machen sollte, oder du hast ihn nicht richtig gefragt. Ich wüsste, wie ich es anstelle, dass er sie mir erzählt.‹ Und sie hatte noch mehr gesagt, sie hatte mit Naivität und Optimismus gesagt: ›Alles lässt sich erzählen. Man braucht nur anzufangen, ein Wort nach dem anderen.‹
Alles lässt sich erzählen, selbst das, was man nicht wissen will und nicht fragt und das doch gesagt wird, und man hört zu.
Ich sagte, ohne sie zu sehen: »Ja, vielleicht ist es besser, dass du jetzt fragst.« Ich merkte, dass sie einen Rest von Unschlüssigkeit in meiner Stimme bemerkte, und bestimmt sagte sie deshalb: »Willst du dabei sein oder soll ich es dir später erzählen?« – »Ich weiß nicht«, antwortete ich, »vielleicht will er nicht reden, wenn ich dabei bin.« Luisa berührte mich an der Schulter, ohne zu tasten, als könnte sie mich sehen (sie kennt meine Schultern, sie kennt meinen Körper). Sie antwortete: »Wenn er bereit ist zu erzählen, dann glaube ich nicht, dass er es deshalb nicht tut. Wir machen es, wie du willst, Juan.« Sie nannte mich bei meinem Namen, obwohl sie mich nicht beleidigte noch verärgert war, noch mich verlassen zu wollen schien. Aber vielleicht nahm sie vorweg, dass sie, wenn sie mir erzählen würde, was Ranz ihr erzählt hatte, mir eine schlechte Nachricht überbringen müsste. Aus meinem Mund kamen keine eindeutigen Worte wie ›Ist gut‹ oder ›Also los‹ oder ›Du hast gewonnen‹ oder ›Jetzt ja‹, sondern ich sagte: »Ich weiß nicht, es ist nicht eilig, ich muss es mir überlegen.« »Du wirst es mir schon sagen«, sagte sie und nahm die Hand von meiner Schulter, um einzuschlafen. Wir hatten buchstäblich nur ein Kissen, und in jener Nacht sagten wir nichts mehr.
Es gibt zwei Kissen in unserem Bett, wie es normal ist bei Ehebetten, und dieses Bett war gemacht, als ich einen Tag früher als von Luisa erwartet am späten Nachmittag aus Genf eintraf. Ich kam müde an, wie man von Flughäfen kommt, ich schloss die Tür auf, und noch bevor ich nachsah, ob jemand zu Hause war, steckte ich die Schlüssel in die Jacketttasche, so wie Berta sie in die Handtasche tat, um sie nicht zu vergessen, wenn sie wieder hinausginge. Ich rief den Namen Luisas vom Eingang her, und es war niemand da, ich stellte dort einen Augenblick den Koffer und die Tasche ab und ging ins Schlafzimmer, wo ich das Bett gemacht sah, dann ins Badezimmer, die Tür stand offen, und alles war in Ordnung, nur dass die Handdusche unten lag und nicht eingehängt war und nur die Handtücher und der Bademantel Luisas zu sehen waren, alles in dunkelblau; meine, die hellblau sind wie der Bademantel von ›Bill‹, der in Wirklichkeit dem Hotel Plaza gehörte, waren noch nicht aus ihrem Schrank geholt worden, wo sie seit meiner Abreise geruht haben dürften. Mir wurde klar, dass ich nicht genau wusste, welcher Schrank es war, ich kannte meine eigene Wohnung noch nicht ganz, sie hat sich während meiner Abwesenheiten immer wieder verändert, obwohl ich jetzt hoffe, dass es lange Zeit keine Veränderung mehr geben wird. Ich ging in die Küche und sah, dass sie sauber war, der Kühlschrank halb voll, Luisa ist sauber, sie ist auch ordentlich, es war keine Milch da, ich würde hinuntergehen und welche kaufen. Im Wohnzimmer stand ein neues Möbelstück, das mir unbekannt war, ein angenehmer grauer Sessel, der die Ottomane und den Schaukelstuhl von ihrem Platz verdrängt hatte, den Schaukelstuhl, der meiner Großmutter gehört und in dem später Ranz seine originellen Posen eingenommen hatte, wenn er Besucher empfing. Der Sessel war bequem, ich probierte ihn einen Augenblick aus. In dem Zimmer, in dem Luisa arbeitet, wenn sie an etwas arbeitet, gab es nichts, was erkennen ließ, dass sie in der letzten Zeit an etwas gearbeitet hatte. (Vielleicht wird es eines Tages ein Kinderzimmer sein.) In dem Zimmer, in dem ich arbeite, gab es keine Veränderungen, ich sah einen Haufen Post, der mich auf meinem U-förmigen Tisch erwartete, zu groß, um ihn jetzt anzuschauen. Ich wollte schon zum Eingang zurückgehen, als ich doch etwas Neues bemerkte: an einer der Wände hing eine Zeichnung, die ich andere Male gesehen hatte und deren Titel, wenn sie einen hat,
Frauenkopf mit geschlossenen Augen
lauten mag. Ich dachte: ›Mein Vater hat uns
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