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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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kann die Dinge im Vornherein oder im Nachherein betrachten, nicht wahr?, und sie ändern sich erheblich, je nachdem, wie man sich entscheidet. Schön, worauf ich hinauswollte: Ich vermute, dass alle von ihr wussten, aber dass niemand sich die Mühe machte, sich an sie zu erinnern, es gibt Leute, die besser nicht existiert hätten; obwohl man nicht darum herumkam, als deine Tante sich umbrachte, man erinnerte sich kurz an sie, soweit es unvermeidlich war, weil er zum zweiten Mal Witwer wurde. Sie würde nicht das gleiche Schicksal erleiden, weil deine Mutter sie ersetzte, eine Schwester vergisst man nicht, so ungebührlich der Platz auch sein mag, den sie eingenommen hat, eine unbekannte Ausländerin hingegen wohl. Es waren andere Zeiten.« Der Professor seufzte fast.
    »Es hat immer ein Bild meiner Tante Teresa in der Wohnung meiner Eltern gegeben«, bemerkte ich, ich glaube, um Villalobos zu beruhigen: Wenn er nicht über alle Angaben verfügte, so würde es ihm zumindest gefallen, in seinen Vermutungen recht zu haben.
    »Eben«, sagte er, als schenkte er der Tatsache, dass er das Richtige getroffen hatte, keine Bedeutung (aber er war entzückt, richtig getroffen zu haben). Er schob mit dem Unterarm die Käseplatte zur Seite, er musste längst übersatt sein. Aber nein, er wandte sich mehr den Pralinen zu und bestellte Kaffee für sich. Als er die Platte beiseiteschob, befleckte er sich geringfügig den Gigli-Ärmel mit dem verschmutzten Tellerrand. Jetzt hatte er die Arme auf dem Tisch verschränkt, selbst so wirkte er elegant.
    »Und woran starb sie?«, fragte Luisa.
    »Wer?«, antwortete der Professor.
    »Die erste Frau«, sagte ich, und ich glaube, dass Luisa, als ich dies sagte, begriff, dass ich auch etwas anderes sagte, etwas wie ›Ist gut‹ oder ›Also los‹ oder ›Du hast gewonnen‹ oder ›Jetzt ja‹. Aber wenn, dann sagte ich es ihr, nicht Villalobos.
    »Kinder, ihr werdet mir verzeihen müssen, dass ich auch das nicht genau weiß.« Der Professor war wütend und trank Wein, mir schien, er stand im Begriff, das Thema zu wechseln, er war es nicht gewöhnt, so oft ›Ich weiß nicht‹ zu sagen. Er entschuldigte sich abermals: »Ich habe mit deinem Vater einen, sagen wir, eher geistigen als persönlichen Kontakt, obwohl wir uns auch persönlich sehr schätzen. Diese ganzen Dinge weiß ich von meinem Vater, der schon vor Jahren gestorben ist, aber ich habe nie mit Ranz darüber gesprochen.«
    »Na ja, sie haben dich nicht interessiert«, sagte ich. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihm eine Unverschämtheit zurückzuzahlen: sie war ungerecht, aber schließlich hatte er mich mit nicht weniger als drei bedacht.
    Der Professor sah mich mit Verdruss und Erbarmen durch seine Brillengläser an, aber es war ein väterlicher Verdruss, wie alles andere auch. Na ja, das Erbarmen war professoral.
    »Mehr als dich, Dummerjan. Mehr als dich.« Seine Beleidigung war antiquiert, verzeihlich und didaktisch, fast brachte sie mich zum Lachen, Luisa auch, wie ich sah. »Aber ich weiß, welches die Grenzen in jeder Beziehung sind. Ich rede mit deinem Vater über Villanueva und über Villalpando«, sagte Villalobos, »von denen du bestimmt nicht mal weißt, wer sie sind.«
    »Ich weiß nicht, wer sie sind«, sagte Luisa.
    »Du wirst es schon erfahren«, sagte der Professor zu ihr, als wäre sie eine ungeduldige Studentin, die man auf das Ende des Unterrichts vertröstet. »Was ich sagen wollte: Ich weiß nicht genau, woran diese erste Frau gestorben ist. Auch nicht, wie sie hieß. Dort in Kuba, das ja. Besser, ihr nehmt mich nicht beim Wort, denn ich bin nicht einmal sicher, das gehört zu haben, aber ich habe die Vorstellung, dass sie durch ein Feuer umgekommen ist. Natürlich ist die Vorstellung sehr unklar, vielleicht stammt sie aus irgendeinem Film, den ich damals gesehen habe, als ich ein Junge war und am meisten über deinen Vater hörte und darüber, dass er zweimal Witwer war. Euch, die ihr jünger seid, wird das noch nicht passieren, aber es kommt eine Zeit, wo man das, was man gesehen hat, mit dem verwechselt, was einem erzählt wurde, was man erlebt hat, mit dem, was man weiß, was einem zugestoßen ist, mit dem, was man gelesen hat, in Wirklichkeit ist es ein Wunder, dass wir normalerweise unterscheiden, wir unterscheiden letztlich ziemlich gut, und das ist seltsam, alle Geschichten, die man im Lauf eines Lebens durch das Kino, das Fernsehen, das Theater, die Zeitungen, die Romane hört und sieht,

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