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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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draußen kam, es sei denn, sie müsste sich sofort umziehen. Wenn sie mit jemandem gekommen war, dann war sie bestimmt ins Wohnzimmer gegangen, vielleicht einen Augenblick ins Badezimmer, vielleicht in die Küche, um Getränke oder Oliven zu holen (ich hatte Oliven gesehen beim Öffnen des Kühlschranks). Ich hatte es nicht mit Absicht getan, glaube ich (ich wusste nicht, dass ich einschlafen würde, also ist es sicher), aber mir wurde bewusst, dass nichts in der Wohnung meine Anwesenheit erkennen ließ, ich hatte alles an seinem Platz verwahrt, wie ich es immer tue, auch den Koffer und die Tasche; genau darunter hatte ich meinen Mantel in den Mantelschrank gehängt, ein Licht geht an beim Öffnen der Tür; ich hatte auch nicht meinen Bademantel oder meine Handtücher gesucht, sie waren noch immer nicht im Badezimmer, ich hatte meine Hände an einem von Luisa abgetrocknet; die Geschenke hatte ich bei mir, im Schlafzimmer; es gab nur eines, mein Necessaire, ich hatte es aus der Reisetasche geholt und auf ein Bänkchen im Badezimmer gestellt, sein Inhalt war das Einzige, was ich nicht auf seine verschiedenen alten Plätze verteilt hatte; ich hatte es aufgemacht, ja, aber ich hatte nur die Zahnbürste herausgenommen, nicht einmal die Zahnpasta, ich hatte die benutzt, die auf unserem Bord lag, das heißt, die von Luisa, halb voll die Tube. Es war möglich, dass weder sie noch ihre Begleitung wussten, dass ich da war, unfreiwilliger Spion (unfreiwillig bisher) in meiner eigenen Wohnung. Jetzt erklang die andere Stimme, aber sie sprach sehr leise, leiser als Luisa, ich konnte nicht einmal die Disposition dieser Stimme erkennen, und das ärgerte mich, so wie es mir auch im Zimmer des Hotels in Havanna ergangen war, möglicherweise das frühere Sevilla-Biltmore, ich weiß nicht, auf einer Insel. Plötzlich hatte ich es eilig. Ich wusste, dass ich am Ende erfahren würde, wer sich mit Luisa im Wohnzimmer befand, auch wenn die Person in diesem Augenblick ginge, bräuchte ich nur meine Tür zu öffnen und hinauszugehen, um sie zu sehen, bevor sie draußen wäre und den Fahrstuhl riefe, um zu gehen. Aber eilig hatte ich es, weil mir bewusst war, dass ich das, was ich jetzt nicht hörte, nicht mehr hören würde; es würde keine Wiederholung geben, wie bei einem Tonband oder einem Videofilm, die man zurückspulen kann, jedes nicht wahrgenommene und nicht verstandene Murmeln wäre für immer verloren. Das ist das schlechte an allem, was uns widerfährt und nicht aufgezeichnet wird, oder, schlimmer noch, nicht einmal gewusst, gesehen und gehört wird, denn später gibt es keine Möglichkeit, es zurückzugewinnen. Ich öffnete vorsichtig die Tür des Schlafzimmers, ohne das geringste Geräusch, ein wenig Licht drang von ferne durch den noch winzigen Spalt, und ich legte mich wieder auf das Bett, und dann erkannte ich die Stimme, die sprach, dank dieses Spalts, ich erkannte sie mit Furcht und Erleichterung zugleich, die Stimme von Ranz, die Stimme meines Vaters, mehr mit Erleichterung, weniger mit Furcht.
    Ich habe die Angewohnheit,
alles
verstehen zu wollen, was gesagt wird und mir zu Ohren kommt, sei es auch aus der Ferne, sei es auch in einer der zahllosen Sprachen, die ich nicht kenne, sei es auch in ununterscheidbarem Gemurmel oder unhörbarem Geflüster, sei es auch besser, dass ich es nicht verstehe, und auch wenn das, was gesagt wird, nicht gesagt wird, damit ich es höre, oder sogar genau deshalb gesagt wird, damit ich es nicht vernehme. Und als ich die Tür meines Schlafzimmers angelehnt hatte, war das Gemurmel unterscheidbar und das Geflüster hörbar, und beide erklangen in einer Sprache, die ich gut kenne, es ist meine, in der ich schreibe und denke, obwohl ich mit anderen lebe, in denen ich ebenfalls manchmal denke, immer mehr in meiner eigenen; und vielleicht war es besser, dass ich verstand, was die Stimme sagte, vielleicht wurde es gesagt, damit ich es hörte, genau deshalb, damit ich es vernahm. Oder nicht ganz: Ich dachte, dass Luisa meine Anwesenheit in der Wohnung nicht entgangen sein konnte (das Necessaire, die Zahnbürste an ihrem Platz, der im Schrank aufgehängte Mantel, etwas dürfte sie gesehen haben), wohl aber Ranz, Ranz konnte es nicht wissen (wenn er ins Badezimmer gegangen wäre, hätten ihm weder Necessaire noch Zahnbürste etwas gesagt). Vielleicht hatte Luisa beschlossen, endlich mit meinem Vater zu sprechen und ihn nach seinen toten Frauen zu fragen, nach Blaubart, Blaubart, und es dem Zufall zu

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