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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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noch ein Geschenk gemacht oder er hat es Luisa gemacht, und sie hat es in mein Zimmer gehängt.‹ Ich ging schließlich zum Eingang zurück und begann, wie ich es immer tue, wenn ich nach Hause oder an mein Ziel komme, die Koffer auszupacken und alles an seinen Platz zu stellen, sorgfältig, mit Eile, als wäre dieser Vorgang noch Teil der Reise und als müsste die Reise abgeschlossen werden. Die schmutzige Wäsche tat ich in die Waschmaschine, in der ich ein paar Kleidungsstücke von Luisa sah, sie mussten von Luisa sein, ich achtete nicht darauf, ich machte nur die Trommel auf und warf meine Sachen hinein, ohne sie in Gang zu setzen, es eilte nicht, und Luisa könnte sie programmieren wollen. Nach einigen Minuten waren meine Koffer leer und in dem für sie reservierten Schrank verstaut, den ich wohl kannte (über dem der Mäntel, im Flur), weil ich sie beim Antritt meiner Reisen nach meiner Heirat dort herausgeholt hatte. Ich war sehr müde, ich schaute auf die Uhr, Luisa konnte jeden Augenblick kommen oder Stunden auf sich warten lassen, es war erst später Nachmittag, die Stunde, zu der niemand in Madrid zu Hause ist, niemand erträgt es zu dieser Zeit, die Leute gehen zu welchem Zweck auch immer hinaus, hysterisch und verzweifelt, auch wenn sie es nicht zugeben, um in den Geschäften, den großen, überfüllten Kaufhäusern, den Apotheken einzukaufen, um unnötige Dinge zu erledigen, um Schaufenster anzusehen, um Zigaretten zu kaufen, um die Kinder von der Schule abzuholen, um in einer Million Bars und Cafés ohne Durst noch Hunger irgendetwas zu sich zu nehmen, die ganze Stadt ist auf der Straße oder bei der Arbeit, ein Bad in der Menge, niemand zu Hause, im Unterschied zu New York, wo fast alle um halb sechs, um sechs nach Hause kommen, um halb sieben, wenn sie vorher die Hand in ein Postfach in Kenmore oder in der Old Chelsea Station stecken mussten. Ich ging auf die Terrasse hinaus und sah niemanden an der Ecke stehen, obwohl Hunderte von Autos und Unmengen Menschen unterwegs waren, alle bewegten sie sich hin und her und behinderten einander. Ich ging ins Badezimmer, urinierte, putzte mir die Zähne. Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück, öffnete unseren Schrank, hängte das Jackett, das ich getragen hatte, hinein, sah Luisas Kleidungsstücke auf ihrer Seite, sah sofort zwei neue oder drei oder fünf, instinktiv küsste oder berührte ich sie mit meinen femininen Lippen, ich rieb mein Gesicht an den wohlriechenden, reglosen Stoffen, und ein wenig Bart (ich muss mich neu rasieren, wenn ich abends ausgehe) verhinderte, dass sie sanft über meine Wangen glitten. Ich sah, wie die Dunkelheit hereinzubrechen begann (es war Freitag, es war März). Ich legte mich auf das Bett, ohne die Absicht, zu schlafen, nur um auszuruhen, denn ich deckte es nicht auf (vielleicht waren die Laken nicht neu, Luisa dachte bestimmt daran, sie morgen zu wechseln, kurz vor meiner Ankunft) und zog mir auch nicht die Schuhe aus, ich legte mich diagonal darauf, und so hielt ich sie in der Luft, es bestand keine Gefahr, dass sie die Bettdecke beschmutzten.
    Als ich erwachte, kam kein Licht mehr von draußen herein, ich meine, es war nächtliches Licht, Licht von Neonröhren und Straßenlampen, kein Nachmittagslicht. Ich wollte auf die Uhr schauen, aber ich würde sie nicht sehen können, wenn ich nicht eine Lampe einschaltete. Ich wollte die Lampe auf dem Nachttisch einschalten, aber ich hörte Stimmen. Sie kamen aus der Wohnung, aus dem Wohnzimmer, glaubte ich, ich war noch verwirrt, aber das verging gleich, meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, die Tür des Schlafzimmers war geschlossen, ich musste sie zugemacht haben, die nächtliche Gewohnheit, obwohl ich sie seit acht Wochen nicht gepflegt hatte, in diesem Zimmer. Eine der Stimmen war die Luisas, sie war es, die in jenem Augenblick sprach, aber es war nicht verständlich, was sie sagte. Der Ton war gemessen, vertrauensvoll, ja um Überredung bemüht. Sie war zurückgekommen. Ich suchte nach dem Feuerzeug in der Hosentasche und ließ es brennen, um an meinem Handgelenk nach der Uhrzeit zu sehen, zwanzig nach acht, es waren fast drei Stunden seit meiner Ankunft vergangen. ›Luisa hat bestimmt gesehen, dass ich schlief, und mich nicht wecken wollen‹, dachte ich, ›sie hat mich in Ruhe gelassen, bis ich von allein aufwache.‹ Aber es war auch möglich, dass sie meine Anwesenheit in der Wohnung nicht bemerkt hatte. Sie pflegte nicht in das Schlafzimmer zu gehen, wenn sie von

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