Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
bekannten und in die unbekannten. Und dann, wenn er den Kopf hebt, um auf die mechanische Musik oder auf einen Pfiff zu achten, der sich wiederholt und durch die ganze Straße näher kommt, fällt sein Blick, melancholisch geworden, auf die Bilder der Abwesenden.
    »Erzählen Sie es mir nicht, wenn Sie nicht wollen«, hörte ich Luisa sagen.
    »Der andere Tag«, sagte Ranz, »der andere Tag war der Tag, an dem ich meine erste Frau umbrachte, um mit Teresa zusammen sein zu können.«
    »Erzählen Sie es mir nicht, wenn Sie nicht wollen. Erzählen Sie es mir nicht, wenn Sie nicht wollen«, hörte ich, wie Luisa wiederholte und wiederholte, und dies ein ums andere Mal zu wiederholen, als es schon erzählt war, war die zivilisierte Form, ihren Schrecken auszudrücken, auch den meinen, vielleicht ihre Reue darüber, dass sie gefragt hatte. Ich fragte mich, ob ich nicht meine Tür schließen, den Spalt zumachen sollte, damit alles wieder ununterscheidbares Gemurmel oder unhörbares Geflüster wurde, aber es war zu spät, auch für mich, ich hatte es gehört, wir hatten das Gleiche gehört, was Teresa Aguilera auf ihrer Hochzeitsreise gehört haben dürfte, am Ende ihrer Reise, vor vierzig Jahren, oder vielleicht waren es nicht so viele. Luisa sagte jetzt ›Erzählen Sie es mir nicht, erzählen Sie es mir nicht‹, vielleicht um meinetwillen, zu spät, Frauen empfinden ungetrübte Neugier und imaginieren oder antizipieren nicht die Natur dessen, was sie nicht wissen, dessen, was am Ende herausgefunden werden kann und was am Ende getan werden kann, sie wissen nicht, dass die Handlungen sich von allein vollziehen oder dass ein einziges Wort sie in Gang setzt. Die Handlung des Erzählens war bereits in Gang, man braucht nur anzufangen, ein Wort nach dem anderen. ›Ranz hat gesagt: Meine erste Frau‹, dachte ich, ›statt sie bei ihrem Namen zu nennen, und er hat es mit Rücksicht auf Luisa getan, die, wenn sie diesen Namen gehört hätte (Gloria oder vielleicht Miriam oder vielleicht Nieves oder vielleicht Berta), nicht gewusst hätte, um wen es sich handelte, nicht mit Gewissheit zumindest, und ich auch nicht, obwohl wir es vermutet hätten, vermute ich. Das bedeutet, dass Ranz wirklich erzählt, dass er noch nicht mit sich selber spricht, wie es in Kürze geschehen kann, wenn er weiter zurückdenkt und erzählt. Aber was er bislang gesagt hat, hat er im Wissen darum gesagt, dass er es jemandem sagte, ohne den Empfänger zu vergessen, im Wissen darum, dass er erzählte und man ihm zuhörte.‹
    »Ja, jetzt musst du es mich schon erzählen lassen«, hörte ich meinen Vater sagen, »so wie ich es Teresa erzählen musste. Es war nicht wie jetzt, aber auch nicht viel anders, ich sagte einen Satz, und damit weihte ich sie ein und musste den Rest erzählen, mehr erzählen, um einen einzigen Satz zu vertuschen, es ist absurd, keine Sorge, ich werde nicht sehr ins Detail gehen. Jetzt habe ich ihn gesagt und dich eingeweiht, ich habe ihn kalt gesagt, damals war es heiß, du weißt ja, man sagt feurige Worte und erhitzt sich, man liebt so sehr und fühlt sich so sehr geliebt, dass man nicht mehr weiß, was man tun soll, manchmal. Unter bestimmten Umständen, in bestimmten Nächten verwandelt man sich in einen Wirrkopf, einen Wilden, sagt man Ungeheuerlichkeiten zu der Person, die man liebt. Dann vergisst man sie, sie sind wie ein Spiel, aber natürlich, eine Tatsache lässt sich nicht vergessen. Wir befanden uns in Toulouse, wir haben unsere Hochzeitsreise nach Paris gemacht, dann in den Süden Frankreichs. Wir waren in einem Hotel in der vorletzten Nacht der Reise, im Bett, und ich sagte Teresa viele Dinge, man sagt alles Mögliche unter diesen Umständen, weil man sich durch nichts bedroht fühlt, und als ich nicht mehr wusste, was ich ihr noch sagen sollte und doch das Bedürfnis empfand, ihr mehr zu sagen, sagte ich ihr, was so viele Liebende ohne Folgen gesagt haben: ›Ich liebe dich so sehr, dass ich für dich töten würde‹, sagte ich. Sie lachte, sie antwortete: ›So schlimm wird es nicht sein.‹ Aber in diesem Augenblick konnte ich nicht lachen, es war einer dieser Augenblicke, in denen man mit dem ganzen Ernst der Welt liebt, damit ist nicht zu spaßen. Und dann überlegte ich nicht mehr und sagte ihr den Satz: ›Ich habe es schon getan‹, sagte ich ihr. ›Ich habe es schon getan.‹« (
›I have done the deed‹
, dachte ich, oder vielleicht dachte ich: ›Ich bin es gewesen‹, oder ich dachte es in meiner

Weitere Kostenlose Bücher