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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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keine gab. Es waren nicht viele Male, aber sie genügten, immer am Nachmittag, die beiden Schwestern gingen gemeinsam spazieren, und dann trennten sie sich, ich weiß nicht, was Juana tat, und Juana wusste auch nicht, was Teresa tat, Teresa traf sich mit mir in einem Hotelzimmer an diesen Nachmittagen, und dann, wenn plötzlich die Dunkelheit hereinbrach (die Dunkelheit gab uns das Zeichen), kam sie wieder mit Juana zusammen, und beide kehrten zum Abendessen zu ihrer Mutter zurück. Der letzte Nachmittag, an dem wir uns trafen, schien der Abschied der Liebenden zu sein, die sich nicht wiedersehen können, es war absurd, wir waren jung, wir waren nicht krank, und es gab auch keinen Krieg. Sie kehrte am nächsten Tag nach Spanien zurück nach ihrem dreimonatigen Aufenthalt im Haus der in Havanna gestorbenen Großtante. Ich sagte ihr, dass ich nicht für immer dort bleiben würde, dass ich sofort nach Madrid zurückkehren würde, dass wir uns weiter sehen müssten. Sie wollte nicht, sie wollte lieber die erzwungene Trennung ausnutzen, um das Ganze zu vergessen, mich, meine erste Frau, die sie unglücklicherweise ein wenig kannte. Sie war ihr sympathisch, ich erinnere mich, dass sie ihr sympathisch war. Ich insistierte, ich sagte ihr, ich würde mich trennen. ›Wir könnten nicht heiraten‹, sagte sie, ›das ist unmöglich.‹ Sie war konventionell, wie die Zeiten es waren, es ist erst vierzig Jahre her, es hat tausend Geschichten wie diese gegeben, aber die Leute reden nur, sie tun nichts. Na ja, einige tun etwas (›Das Schlimmste ist, dass er nichts tun wird‹, dachte ich, hatte Luisa mir an einem Abend über Guillermo gesagt, schlecht gelaunt, mit ihrem feuchten Ausschnitt, er glänzte ein wenig, wir beide im Bett). Und dann sagte sie den Satz, den ich hörte und der bewirkte, dass sie sich später nicht ertrug (›Übersetzbare, herrenlose Worte, die von Stimme zu Stimme und Sprache zu Sprache und von Jahrhundert zu Jahrhundert wiederholt werden‹, dachte ich, ›immer die Gleichen, die zu den gleichen Handlungen anstiften, seit es auf der Welt Menschen und Sprachen und Ohren gibt, sie zu hören. Aber wer sie sagt, erträgt sich nicht, wenn er sie vollzogen sieht‹). Ich erinnere mich, dass wir beide bekleidet auf dem gemieteten Bett lagen, mit Schuhen (›Vielleicht mit schmutzigen Füßen‹, dachte ich, ›da niemand sie sehen würde‹), an dem Nachmittag zogen wir uns nicht aus, es konnte keine Lust entstehen. ›Unsere einzige Möglichkeit ist, dass sie eines Tages stirbt‹, sagte sie zu mir, ›und damit kann man nicht rechnen.‹ Ich erinnere mich, dass sie mir die Hand auf die Schulter legte und ihren Mund meinem Ohr näherte, als sie mir das sagte. Sie flüsterte es mir nicht zu, es war keine Einflüsterung, ihre Hand auf der Schulter und ihre nahen Lippen waren eine Form, mich zu trösten und mich zu beruhigen, ich bin sicher, ich habe viel darüber nachgedacht, wie dieser Satz gesagt wurde, obwohl es eine Zeit gab, da ich ihn für etwas anderes hielt. Es war ein Satz des Verzichts, nicht der Anstiftung, es war der Satz von jemandem, der sich zurückzieht und für besiegt erklärt. Nachdem sie mir das gesagt hatte, gab sie mir einen Kuss, einen sehr raschen Kuss. Sie räumte das Feld.« (›Die Zunge am Ohr ist auch der Kuss, der am meisten überzeugt‹, dachte ich, ›die Zunge, die erkundet und entwaffnet, die flüstert und küsst, die beinahe Zwang ausübt.‹) Ranz hielt erneut inne, seine Stimme hatte auch noch den letzten Rest von Ironie oder Spott verloren, sie war fast unkenntlich, wenn auch nicht wie eine Säge. »Später dann, als ich ihr erzählte, was ich getan hatte und ihr von diesem Satz sprach, erinnerte sie sich zunächst nicht einmal, sie hatte ihn unüberlegt gesagt, leichthin, wie sie meinte, als sie sich erinnerte und begriff, er war nur Ausdruck eines Gedankens gewesen, der in unseren Köpfen umging, etwas, das auf der Hand lag, eine bloße, absichtslose Aussage, so als würdest du jetzt zu mir sagen: ›Es wird Zeit, an das Abendessen zu denken.‹ Auch ich habe damals nicht sonderlich auf ihre Worte geachtet, ich habe erst später über sie nachgedacht, ich habe über sie nachgedacht, als Teresa bereits gegangen war und ich sie vermisste, bis ich es nicht mehr ertrug, unsere einzige Möglichkeit ist, dass sie eines Tages stirbt, und damit kann man nicht rechnen. Es war mein verfluchtes Gehirn, das ihn anders verstehen wollte (›Denk nicht an die Dinge, Vater‹, dachte

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