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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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während ich einen deutschen Füllfederhalter aus der Tasche holte, den ich in Brüssel gekauft hatte und den ich sehr mag, weil die Feder schwarz und matt ist.
    »Lass sehen«, sagte sie und schraubte den Füllfederhalter auseinander und schaute die fast leere Patrone an. »Ich glaube nicht, aber warte, ich seh mal in den Kartons oben nach.«
    Ich wusste, dass sie diese Patronen nicht haben würde, und dachte, sie hätte wissen müssen, dass sie sie nicht hatte. Trotzdem schleppte sie die alte Leiter herbei und stellte sie auf ihrer Seite der Theke zu meiner Linken auf und stieg schwerfällig, als wäre sie zwanzig Jahre älter, als sie war (aber diese Zeit hatte sie mit dem Hinauf und Hinunter verbracht), die Stufen hoch, bis sie auf der fünften stehen blieb und von dort aus in verschiedenen Kartons herumkramte, die uns nichts nützen würden. Ich sah sie von hinten, mit ihren flachen Schuhen und ihrem altmodischen karierten Schulmädchenrock, ihren breit gewordenen Hüften und dem etwas lockeren Riemen ihres Büstenhalters, der durch die Bluse hindurchschimmerte; und mit ihrem hübschen Nacken, der als Einziger unverändert war. Sie schaute in den Kartons nach und hielt meinen aufgeschraubten Füllfederhalter in der Hand, um die Patrone zu sehen und sie vergleichen zu können, sie hielt ihn mit großer Vorsicht. Wäre ich in diesem Augenblick auf ihrer Höhe gewesen, dann hätte ich ihr eine Hand auf die Schulter gelegt oder zärtlich diesen Nacken gestreichelt.
    Es ist schwer vorstellbar, dass ich dort meine Tage verbringen könnte, ich habe immer Geld und Neugier besessen, Neugier und Geld, selbst wenn ich nicht über große Mengen verfüge und arbeite, um es zu verdienen, wie jetzt und seitdem ich vor schon so langer Zeit Ranz’ Wohnung verlassen habe, obwohl ich jetzt nur sechs Monate im Jahr arbeite. Wer weiß, dass er es haben wird, hat es schon zum großen Teil, die Leute strecken es ihm vor, ich weiß, dass ich über viel Geld verfügen werde, wenn mein Vater stirbt, und dass ich dann kaum werde arbeiten müssen, wenn ich nicht will, ich hatte es als Kind, um viele Bleistifte zu kaufen, und ich habe bereits einen Teil beim Tod meiner Mutter geerbt, und einen geringeren Teil schon vorher, beim Tod meiner Großmutter, auch wenn nicht sie es waren, die es verdient hatten, der Tod macht jene reich, die es nicht waren und es auch nie von sich aus sein könnten, die Witwen und die Töchter, oder vielleicht bleibt manchmal nur ein Papierwarengeschäft übrig, das die Tochter ankettet und keine Lösung bringt.
    Ranz hat immer gut gelebt und folglich auch sein Sohn, ohne große Exzesse oder nur mit solchen, die sein Beruf für ihn bereithielt und sogar ratsam erscheinen ließ. Der Exzess oder das Vermögen meines Vaters besteht in Gemälden und der einen oder anderen Skulptur, vor allem in Gemälden und zahlreichen Zeichnungen. Jetzt ist er im Ruhestand, aber viele Jahre lang (Franco-Jahre und auch später) war er einer der Hausexperten des Prado-Museums, niemals Direktor oder Unterdirektor, niemals jemand, der sichtbar gewesen wäre, scheinbar ein Beamter, der alle Vormittage in einem Büro verbrachte, ohne dass zum Beispiel sein Sohn jemals eine klare Vorstellung davon gehabt hätte, womit er sie verbrachte, zumindest als Kind. Mit der Zeit erfuhr ich es dann, mein Vater verbrachte seine Tage in der Tat eingeschlossen in einem Raum neben den meisterhaften und nicht so meisterhaften Werken der Malerei, die er so leidenschaftlich liebte. Ganze Vormittage in der Nachbarschaft grandioser Gemälde, blind, ohne vor sie hintreten zu können, um sie zu sehen oder zu sehen, wie die Besucher sie betrachteten. Er examinierte, katalogisierte, beschrieb, entkatalogisierte, forschte, begutachtete, inventarisierte, telefonierte, verkaufte und kaufte. Aber er war nicht immer dort, auch er ist viel gereist im Auftrag von Institutionen und Einzelpersonen, die nach und nach seine Vorzüge erkannten und ihn unter Vertrag nahmen, damit er Meinungen äußerte oder Sachverständigengutachten anfertigte, ein hässliches Wort, aber es wird von denen benutzt, die sie anfertigen. Im Lauf der Zeit war er Berater mehrerer nordamerikanischer Museen, zu denen Getty in Malibu, Walters in Baltimore und Gardner in Boston gehörten, auch Berater einiger Stiftungen und krimineller südamerikanischer Banken und von privaten Sammlern, Leute, die zu reich waren, um nach Madrid und zu ihm nach Hause zu kommen, er war es, der nach London oder Zürich,

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