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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Chicago oder Montevideo oder Den Haag reiste, er äußerte seine Meinung, unterstützte den Kauf oder Verkauf oder riet davon ab, erhielt einen prozentualen Anteil oder eine Sonderzulage, kehrte zurück. Im Lauf der Jahre machte er immer mehr Geld, nicht nur durch die prozentualen Anteile und durch sein Expertengehalt vom Prado (nicht viel), sondern durch seine fortschreitende, leichte Korruption: es ist wahr, dass er sich vor mir nie geschämt hat, seine halbbetrügerischen Praktiken zuzugeben, ja er hat sich ihrer gerühmt, insofern jeder subtile Betrug, der an den Vorsichtigen und Mächtigen begangen wird, zum Teil Beifall verdient, wenn er außerdem straflos bleibt und nicht entdeckt wird, das heißt, wenn nicht nur der Täter, sondern auch der Betrug selbst unerkannt bleibt. Die Korruption ist auch nicht sehr schwerwiegend in diesem Bereich, sie besteht schlicht darin, dass man dazu übergeht, die Interessen des Verkäufers zu vertreten, ohne dass dies bemerkt oder gewusst würde, statt die Interessen des Käufers, der normalerweise den Experten unter Vertrag nimmt (und außerdem eines Tages Verkäufer sein kann). Das Getty-Museum oder die Walters Art Gallery, die meinen Vater bezahlten, wurden über die Autorschaft und den Zustand und die Konservierung eines Gemäldes informiert, dessen Erwerb sie in Betracht zogen. Mein Vater lieferte grundsätzlich wahrheitsgetreue Information, verhehlte jedoch irgendeine Angabe, die, hätte man sie berücksichtigt, Wert und Preis erheblich vermindert hätte, zum Beispiel, dass dem betreffenden Gemälde mehrere Zentimeter fehlten, die jemand im Lauf der Jahrhunderte abgeschnitten hatte, damit es in das Kabinett eines seiner Besitzer passte, oder aber dass ein paar völlig sekundäre Gestalten im Hintergrund auf dem Original aufgefrischt, um nicht zu sagen neu gemalt worden waren. Mit dem Verkäufer zu einer Vereinbarung zu gelangen, um diese Einzelheiten zu verschweigen, kann einen doppelten prozentualen Anteil von einem höheren Preis bedeuten, ziemlich viel Geld für den Verschweiger und mehr noch für den Verkäufer; und wenn der Experte später erlebt, dass sein Fehler entdeckt wird, dann kann er immer behaupten, es handle sich eben darum, um einen Fehler, kein Experte ist völlig unfehlbar, eher im Gegenteil, es ist unvermeidlich, dass sie sich irgendwann einmal in irgendeinem Aspekt irren, es genügt, wenn sie in vielen anderen recht haben, damit sie ihr Prestige bewahren, und so können die Irrtümer dosiert werden. Mein Vater, ich bezweifle es nicht, hat ein gutes Auge und eine noch bessere Hand (man muss das Gemälde berühren, das ist unerlässlich, manchmal muss man sogar ein wenig an ihm lecken, ohne es zu beschädigen), und in Ländern wie Spanien ist das sehr viele Jahre lang unbezahlbar gewesen, als die (nebenbei gesagt auch nicht unfehlbaren) chemischen Analysen unbekannt waren oder man sie nicht bezahlen konnte und die Glaubwürdigkeit der Experten nur von der Emphase und Überzeugung abhing, mit der sie ihre Urteile von sich gaben. Die spanischen Privatsammlungen (auch die öffentlichen, aber weniger) sind voller Fälschungen, und ihre Besitzer erleben die unangenehmsten Überraschungen, wenn sie heutzutage beschließen, sie zu verkaufen, und sie nach langer Überlegung einem seriösen Auktionshaus anvertrauen. Es hat Damen gegeben, die an Ort und Stelle in Ohnmacht gefallen sind, als sie erfuhren, dass ihr lebenslang göttlicher kleiner Greco ein falscher göttlicher kleiner Greco war. Es hat alte Herren gegeben, die Anstalten machten, sich die Pulsadern aufzuschneiden, als sie die unmissverständliche Mitteilung erhielten, dass ihr lebenslang geliebtes flämisches Tafelgemälde ein geliebtes falsches Tafelgemälde war. In den Büroräumen der Auktionshäuser sind echte Perlen herumgerollt und gingen Stöcke aus Edelholz in die Brüche, scharfe Gegenstände befinden sich in Glasschränken, seitdem ein Angestellter verwundet wurde, und niemand wundert sich beim Anblick von Zwangsjacken und Krankenwagen. Den Irrenwärtern wird ein freundlicher Empfang zuteil.
    Jahrzehntelang wurden in Spanien die Sachverständigengutachten von jeder beliebigen Person mit genügend Eitelkeit, Unverfrorenheit oder Verwegenheit angefertigt: ein Antiquar, ein Buchhändler, ein Ausstellungskritiker, einer von den Führern im Prado mit Erkennungszeichen, ein Pedell, der Postkartenverkäufer oder die Putzfrau, alle äußerten sie ihre Meinung und gaben ihr Urteil von sich, und alle

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