Mein Herz so weiß
und an einem anderen ein Heft, den Radiergummi an einem Nachmittag, um am nächsten wegen eines Tintenfasses wiederzukommen. Ich erfand meine Bedürfnisse, zu viel Taschengeld rann mir in diesem Papierwarengeschäft durch die Finger. Ich trödelte auch beim Gehen und pfiff, während ich darauf wartete, bedient zu werden, wie die Jungen meines Alters damals, ich suchte es so einzurichten, dass sie mich bediente (ich passte den Moment ab, wenn sie frei war, um den Mund aufzumachen) und nicht der Vater oder die Mutter, ich blieb länger als nötig, und meine Freude hielt den ganzen Abend an, wenn ich ein Lächeln oder einen freundlichen oder zumindest deutbaren Blick erhalten hatte, aber ich war vor allem froh bei dem Gedanken an die abstrakte Zukunft, alles war aufgeschoben, sie war einen Nachmittag nach dem anderen dort, immer lokalisierbar, und es gab keinen Grund dafür, dass die Zukunft konkret würde und aufhörte, Zukunft zu sein. Ich kam allmählich in ein anderes Alter, auch das Mädchen, sie wurde größer und war noch mehrere Jahre lang sehr hübsch, dann auch an den Vormittagen, ab dem sechzehnten Lebensjahr etwa war sie den ganzen Tag da, sie bediente dauernd, während ich auf die Universität ging, ging sie nicht mehr zur Schule. Ich hatte nicht mit ihr gesprochen, als wir beide in die Schule gingen, und auch später sprach ich nicht mit ihr, zuerst traute ich mich nicht, und dann war die Zeit vergangen, das ist das schlechte an der abstrakten Zukunft, wenn sie es bleibt: obwohl ich sie anschaute, war ich mit anderen Dingen beschäftigt und in der veränderbaren Gegenwart, ich ging nicht mehr so oft in das Papiergeschäft. Ich habe immer nur das Wort an sie gerichtet, um Papier und Bleistifte, Mappen und Radiergummis von ihr zu verlangen und mich bei ihr zu bedanken. Ich weiß daher nicht, wie sie ist, wie ihr Charakter ist oder was sie für Vorlieben hat, ob ihre Unterhaltung angenehm oder ihre Laune gut oder schlecht ist, was sie über irgendetwas denkt, ob sie gern lacht oder wie sie küsst. Ich weiß nur, dass ich sie mit fünfzehn Jahren geliebt habe, wie man in diesem Alter oder noch immer das nicht Begonnene liebt, das heißt in der Vorstellung, es sei für immer. Aber ich wage außerdem zu behaupten, dass ihre Art zu schauen und zu lächeln (ihre damalige Art) verdiente, für immer geliebt zu werden, und das hing nicht mehr von meinen fünfzehn Jahren ab, sondern ich sage es jetzt. Sie hieß und sie heißt Nieves. Jetzt sind weitere fünfzehn oder mehr Jahre vergangen, seitdem ich nicht mehr in Ranz’ Wohnung lebe, aber manchmal, wenn ich ihn besuche oder besucht habe oder ihn abgeholt habe, um mit ihm im ›La Trainera‹ oder in einem anderen, entfernter gelegenen Restaurant zu Mittag zu essen, bin ich aufgrund der nicht ganz abgelegten Gewohnheit, dort etwas zu kaufen, vorher in das Papierwarengeschäft hineingegangen und in all diesen Jahren immer diesem Mädchen gegenübergestanden, das kein Mädchen mehr war, ich habe sie mit dreiundzwanzig, mit sechsundzwanzig, mit neunundzwanzig und mit drei- oder vierunddreißig Jahren gesehen, wohl ihr jetziges Alter. Ich habe sie kurz vor meiner Heirat mit Luisa gesehen, sie ist eine noch junge Frau, sie ist es zwangsläufig, da ich immer ihr Alter gewusst habe, ungefähr, es war etwas weniger als meines. Sie ist es zwangsläufig, aber sie wirkt nicht so, sie ist nicht mehr hübsch, und ich weiß nicht, warum nicht, denn sie hat noch immer das Alter dazu. Sicher hat sie zu viele Jahre vormittags und nachmittags (wenn auch nicht abends noch sonntags noch samstags ab Mittag, aber das genügt nicht) in diesem Papierwarengeschäft damit verbracht, ihr Material an Kinder zu verkaufen, die sie nicht mehr wie ihresgleichen oder wie ihre Geliebte, sondern schon lange wie eine Erwachsene sehen. Gewiss wird keines dieser Kinder sie noch bewundern, vielleicht bewundert sie niemand, nicht einmal ich, der ich kein Kind mehr bin, möglicherweise ein Ehemann, der aus dem Viertel stammen und zu viele Jahre vormittags und nachmittags in einem anderen Geschäft damit verbracht haben wird, Medikamente zu verkaufen oder Räder zu wechseln. Ich weiß es nicht, vielleicht gibt es auch keinen Ehemann. Ich weiß nur, dass diese junge Frau, die nicht mehr jung wirkt, sich seit zu langer Zeit immer gleich kleidet, mit Strickjacken und Blusen mit rundem Kragen, mit plissierten Röcken und weißlichen Strümpfen, dass sie zu viel Zeit damit verbracht hat, auf eine Leiter zu
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