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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Bereitschaft und die Absicht entstehen ließ. Ich fragte mich, wen er wohl bei meinem Fest im Kasino angesprochen haben mochte, ich hatte ihn kaum gesehen. Er schaute mich wieder an mit seinen unangenehmen Augen, die mir doch völlig vertraut waren.
    »Wie du willst, Zufall. Aber dreimal ist viel Zufall.«
    »Dreimal?«
    Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Anspielung auf die ausländische Frau hörte, mit der ich nicht verwandt bin und von der ich jetzt etwas weiß, aber nicht genug, nie werde ich allzu viel wissen, es gibt Menschen, die viele Jahre in der Welt gewesen sind und an die sich niemand erinnert, als wären sie letztlich nicht da gewesen, und dieses erste Mal wusste ich nicht einmal, dass auf sie angespielt wurde oder auf wen überhaupt angespielt wurde, ich wusste noch nichts von ihrer Existenz (›dreimal ist viel Zufall‹). Zuerst wollte ich glauben, es handle sich um einen Irrtum oder einen Lapsus, und Custardoy stellte es zuerst so hin, vielleicht hatte er vorgehabt, nur über meine Tante Teresa mit mir zu reden, oder vielleicht hatte er nicht vorgehabt, mir zu erzählen, was ich in jenen Tagen des Vorgefühls einer Katastrophe und erster ehelicher Schritte lieber weiterhin nicht gewusst hätte, obwohl es schwierig ist zu wissen, ob man etwas wissen oder lieber nicht erfahren möchte, wenn man es erst einmal weiß.
    »Ich meine zweimal«, sagte Custardoy rasch, vielleicht war alles unüberlegt und ohne böse Absicht, obwohl es unwahrscheinlich war, dass er überhaupt keine hatte, auch keine vage oder gute, Custardoy ist kein nachdenklicher Mensch, wohl aber einer mit Absichten. Er lächelte ebenso rasch (seine langen Zähne verliehen seinem spitzen Gesicht Herzlichkeit, oder beinahe), während er mehr Rauch zu den Frauen hin ausstieß: die uns den Rücken zuwandte, wehrte ihn mit zorniger Hand ab, wie eine Fliege, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Custardoy fügte ohne Pause hinzu: »Hör mal, dass das klar ist, ich habe nichts gegen deinen Vater, ganz im Gegenteil, das weißt du genau. Aber dass jemand sich gleich nach der Hochzeit umbringt, wirkt nicht wie ein Zufall. Das kann nie in der Reihenfolge des Todes sein, wie du sagst.«
    »Sich umbringt?«
    Custardoy biss sich zu ausdrucksvoll auf die Lippen, als dass es hätte spontan sein können. Dann rief er den Kellner, indem er zwei Finger bewegte, und nutzte die Gelegenheit, um einen geilen Blick auf die beiden Frauen zu richten, die uns nach wie vor keinerlei Beachtung schenkten (obwohl eine von ihnen sie bereits unserem Rauch geschenkt hatte, so wie man sie einer Fliege schenkt. Diejenige, die uns zugewandt war, sagte mit sehr lauter und fröhlicher Stimme: »Schönschönschön, er widert mich eben an.« Sie sagte es entzückt, fast schlug sie sich auf die Mulattinnenschenkel). Custardoy hingegen achtete gleichermaßen auf die Frauen wie auf seine Unterhaltung mit mir, ständig verdoppelt, ständig mit dem Wunsch, mehr als einer zu sein und sich dort zu befinden, wo er nicht war. Ich glaubte, er würde aufstehen, und um ihn daran zu hindern, fragte ich nach: »Was sagst du, sich umbringt?« Aber er beschränkte sich darauf, beim Kellner ein weiteres Bier zu bestellen.
    »Noch ein Bier. Erzähl mir nicht, dass du das nicht weißt.«
    »Wovon redest du?«
    Custardoy strich sich über den noch spärlichen Schnurrbart und richtete sich mit einer zwangsläufig weiblichen Gebärde den kurzen Pferdeschwanz gerade. Ich weiß nicht, warum er diesen lächerlichen, ungepflegten Schopf trug, er wirkte wie ein Handwerker oder ein Bauer aus dem achtzehnten Jahrhundert. Er blies auf das Bier. Mit seinen fast vierzig Jahren beugte er sich den Moden, er besaß Elan. Oder vielleicht war es in seinem Fall der Einfluss der Malerei.
    »Zu viel Schaum«, sagte er. »Reiner Wahnsinn«, fügte er hinzu, »dass du nichts weißt, reiner Wahnsinn, was die Familien vor ihren Kindern verschweigen, wer weiß, was du von meiner weißt, wovon ich nicht die geringste Ahnung habe.«
    »Ich weiß nichts«, sagte ich rasch.
    Er spielte erneut mit der Flamme, er hatte seine Zigarette ausgedrückt, nicht richtig, es roch.
    »Mir scheint, ich habe einen Bock geschossen. Ranz wird sauer sein. Ich wusste nicht, dass du nicht gewusst hast, wie die Schwester deiner Mutter gestorben ist.«
    »An einer Krankheit, hat man mir immer gesagt. Ich habe nie viel gefragt. Also, was weißt du.«
    »Vielleicht stimmt es ja nicht. Es ist ewig lange her, dass mein Vater es mir

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