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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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gehen lässt.«
    ›Böser Blick‹ auf Französisch wusste ich auch nicht. Ich hatte es gewusst, aber ich erinnerte mich nicht mehr, ›guignon‹ fiel mir plötzlich ein. »Vielleicht bringst du mir noch Unglück mit diesen Sachen«, hörte ich die blonde Frau mit der gebräunten Haut sagen, sie war ausdrucksvoll, ihre Stimme war rau, eine von diesen spanischen Frauen, die weder den Ton ihrer Stimme noch die Tragweite ihrer Worte noch die Schroffheit ihrer Gesten noch die Länge ihrer Röcke wägen, zu oft äußern die Spanierinnen Verachtung durch den Mund und den Blick und die despotischen Gesten und die übereinandergeschlagenen Oberschenkel, spanisches Erbe in Kuba: Miriams Arm und auch ihre Rufe und ihre hohen Absätze und ihre Beine wie Messer (›Du gehörst mir‹, ›Ich bring dich um‹). Luisa ist nicht so, die neuen Generationen verachten auch, aber zurückhaltender, Luisa ist sanfter, obwohl sie einen Sinn für Redlichkeit besitzt, der sie bisweilen sehr ernst werden lässt, bisweilen weiß man, dass sie nicht scherzt, sie glaubt, dass ich jetzt mit meinem Vater zusammen bin, aber mein Vater ist unerwartet ausgegangen, und deshalb höre ich Enthüllungen von Custardoy, wenn sie wahr sind, sie müssen es sein, denn er hat nie Erfindungskraft besessen, bei seinen Geschichten hat er sich immer an das gehalten, was war oder ihm widerfahren ist, deshalb muss er vielleicht die Dinge erleben und ihre Doppeldeutigkeiten erfahren, weil er sie nur so erzählen kann, nur so begreift er das Unbegreifbare, manche Menschen kennen nicht mehr Phantasien als die erfüllten, sie sind nicht fähig, sich etwas vorzustellen, und daher wenig vorausschauend, sich etwas vorstellen vermeidet viel Unglück, wer seinen eigenen Tod antizipiert, bringt sich selten um, wer den der anderen antizipiert, ist selten ein Mörder, es ist besser, in Gedanken zu morden und sich umzubringen, das hinterlässt keine Folgen noch Spuren, selbst mit der fernen Gebärde des zupackenden Arms, alles ist eine Frage der Entfernung und der Zeit, wenn man ein wenig entfernt ist, trifft das Messer die Luft statt die Brust, es senkt sich nicht in das braune oder weiße Fleisch, sondern bewegt sich durch den Raum, und es geschieht nichts, seine Bewegung wird weder berechnet noch aufgezeichnet und ist nicht bekannt, Absichten werden nicht bestraft, so oft fehlgeschlagene Versuche werden verschwiegen und sogar geleugnet von denen, die sie erleiden, weil nach ihnen alles unverändert ist, die Luft ist unverändert, und die Haut tut sich nicht auf noch ändert sich das Fleisch, und nichts wird aufgeschlitzt, es ist harmlos, das flachgedrückte Kissen, unter dem sich kein Gesicht befindet, und dann ist alles genau wie vorher, weil die Häufung und der Stoß ohne Adressat und das Ersticken ohne Mund nicht genug sind, um die Dinge und die Beziehungen zu ändern, nicht die Wiederholung ist es noch das Beharren noch die gescheiterte Durchführung noch die Drohung, das macht es nur schlimmer, aber es ändert nichts, die Wirklichkeit kommt nicht hinzu, sie sind nur wie Miriams Gebärde des Packens und ihre Worte (›Du gehörst mir‹, ›Du bist in meiner Schuld‹, ›Hab ich dich jetzt‹, ›Mit mir in die Hölle‹), die nicht die späteren Küsse und den Singsang im Zimmer nebenan an der Seite des linkshändigen Mannes verhinderten, Guillermo mit Namen, dem man gesagt hatte: ›Sie oder ich, eine Tote wirst du haben.‹
    »Vielleicht habe ich ja einen Bock geschossen«, sagte Custardoy Sohn, »aber ich glaube, es ist besser, wenn man die Dinge weiß, besser, man erfährt alles spät als nie. Das ist sehr lange her, was macht es in Wirklichkeit schon aus, wie deine Tante das Zeitliche gesegnet hat.«
    Mein Vater hatte eine Tote gehabt, eine wirkliche Tote, eine von denen, die sich tatsächlich nicht in die Reihenfolge fügen, wie Custardoy zuvor gesagt hatte. Wer von eigener Hand stirbt, stirbt mehr, und mehr noch vielleicht, wer von meiner Hand stirbt. Er hatte auch gesagt: ›Aber dreimal ist viel Zufall‹, dann hatte er sich berichtigt. Ich fragte mich, ob ich darauf zurückkommen sollte, wenn ich insistierte, würde er mir schließlich erzählen, was es gab oder was er wusste, ich war sicher, etwas Partielles oder Irrtümliches, irgendetwas, es ist ja durchaus möglich, etwas nicht wissen zu wollen, wenn man es noch nicht weiß, danach nicht mehr, er hatte recht, es ist besser, wenn man die Dinge weiß, aber nur, wenn man sie schon weiß (ich wusste noch

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