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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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die Lage versetzten, mich stets bei unseren gelegentlichen Keilereien zu besiegen, wenn seine Anspannung sich so sehr verdüsterte, dass sie sich schließlich entlud, als auch seines Charakters wegen, der obszön und wild war, aber kalt selbst bei den Prügeleien. Wenn er mit mir kämpfte, bemerkte ich an ihm, so heftig ich mich auch gegen ihn wehren mochte, bevor ich mich ergab, weder Erhitzung noch Erbitterung, sondern nur kalte Gewalt und den Willen zur Unterwerfung. Obwohl ich ihn einige Male im Atelier seines Vaters besucht habe, das jetzt seines ist, habe ich ihn niemals malen gesehen, weder seine eigenen Bilder, die keinen Erfolg haben, noch seine perfekten Kopien, die ihm Geld bringen, ebenso wie seine technisch ausgezeichneten, aber konventionellen Auftragsporträts: so viele Stunden reglos, eingesperrt, mit dem Pinsel in der Hand, eingerichtet in peinlicher Genauigkeit und den Blick auf eine Leinwand gerichtet, sind vielleicht die Erklärung für seine ständige Anspannung und sein Streben nach Verdoppelung. Schon als Junge hat er sich nicht gescheut, seine Abenteuer, vor allem die sexuellen, zu erzählen (von ihm habe ich fast alles in meiner Jugend und auch früher gelernt), und manchmal frage ich mich, ob die Zuneigung, die mein Vater in den letzten Jahren, seit dem Tod von Custardoy dem Älteren, für ihn entwickelt hat, nicht vielleicht mit diesen Erzählungen zu tun hat. Je älter ruhelose Männer sind, umso mehr wollen sie weiterleben, und wenn ihre Fähigkeiten es ihnen nicht in aller Fülle gestatten, suchen sie die Gesellschaft derer, die imstande sind, ihnen die Existenz zu erzählen, die nicht mehr in ihren Möglichkeiten liegt, und ihnen stellvertretend das Leben verlängern. Mein Vater wird ihm zuhören wollen. Ich weiß von Prostituierten, die entsetzt davongelaufen sind, nachdem sie eine Nacht mit Custardoy dem Jüngeren verbracht hatten, und nicht einmal erzählen wollten, was geschehen war, selbst wenn es zwei waren, die er sich ins Bett geholt hatte und die sich daher gegenseitig stärken und trösten konnten, denn Custardoys Wunsch, sich aufzuspalten, ließ ihm schon in jungen Jahren eine einzige Person ungenügend erscheinen, eine seiner Vorlieben sind seit jeher Paare gewesen. Mit den Jahren ist Custardoy diskreter geworden, und soviel ich weiß, erzählt auch er nicht, warum er Entsetzen auslöst, vielleicht aber privat meinem Vater, der für ihn eine Art Pate ist. Mein Vater wird ihm zuhören wollen. Jedenfalls sehen sie sich schon seit Jahren häufig, einmal in der Woche besucht Custardoy Ranz, oder sie gehen zusammen abendessen und danach vielleicht in ein antiquiertes Lokal, oder sie begleiten sich gegenseitig, wenn sie Besorgungen machen und Dritte besuchen, mich zum Beispiel oder sogar Luisa in meiner Abwesenheit. Wahrscheinlich amüsiert Custardoy meinen Vater. Jetzt, schon nahe der vierzig, trägt er in seinem einst rasierten Nacken das Haar zusammengebunden, wie ein Pirat oder ein Stierkämpfer, und sein Backenbart ist ein wenig zu lang für diese Zeiten, jedenfalls auffallend, weil er kraus ist und sehr viel dunkler als sein krapprotes, glattes Haar, vielleicht trägt er sie, Schopf und Backenbart, um nicht in seinem archaisch bohemehaften Milieu nachtschwärmerischer Maler aus dem Rahmen zu fallen, obwohl er sich gleichzeitig klassisch und übertrieben korrekt kleidet – immer Krawatte –, er strebt nach Eleganz in seiner Aufmachung. Einige Monate lang trägt er einen Schnurrbart, und dann rasiert er ihn wieder eine Zeit lang, ein unaufhebbarer Zweifel oder vielleicht seine Art, mehr als einer zu sein. Mit den Jahren hat sein Gesicht voll herausgebildet, was seit der Kindheit und mehr noch seit der Jugend in ihm angelegt war: sein Gesicht ist wie sein Charakter, obszön, wild und kalt, mit breiter Stirn oder Geheimratsecken und einer leicht hakenförmigen Nase und langen Zähnen, die sein Gesicht erhellen, wenn er freundlich, aber nicht warmherzig lächelt, mit tiefschwarzen, sehr großen und leicht auseinanderstehenden Augen, die fast keine Wimpern haben, und dieser Mangel und dieses Auseinanderstehen machen seinen Blick unerträglich, seinen obszönen Blick auf die Frauen, die er erobert oder kauft, und auf die Männer, mit denen er rivalisiert, auf die Welt, die nunmehr mit ihm als festem Bestandteil weiterzieht, mit ihm, der zu ihrem ungestümeren Lauf gehört.
    Er war es, der mir vor ein paar Monaten oder fast einem Jahr, kurz nach meiner Rückkehr von meiner

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