Mein Herz springt (German Edition)
vergeht, in der ich nicht an ihn denke. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Display meines Handys beziehungsweise dem Posteingang des Computers. Und immer wieder die erschütternde Gewissheit: keine neue Nachricht.
Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Ich greife nach meinem Handy und tippe die einfache und doch Hunderte Male wieder und wieder neu formulierte Frage: »Hanno, wie geht es Dir?«
Ein paar Minuten später die Antwort: »Liebe Betty, schön von Dir zu hören. Es ist gerade viel los. Ich bereite mich auf eine Kardiologentagung in St. Gallen vor. Zudem gibt es gesundheitliche Probleme zu Hause. Aber wir sehen uns bei der Weihnachtsfeier, oder? Viele Grüße, Dein Hanno.«
Ich lese die Nachricht immer und immer wieder. Wieso ist er so förmlich? Hat er mich so schnell aus seinem Leben verdrängt? Mir steigen bei diesem Gedanken die Tränen in die Augen. Und, was meint er mit gesundheitlichen Problemen in der Familie? Das hört sich nicht gut an. Sicherlich nagt das an ihm. Und ich kann ihm nicht beistehen, nicht trösten. Wir sind zu weit voneinander entfernt.
Ich antworte sofort: »Mein lieber Hanno, das tut mir leid. Kann ich Dir irgendwie helfen? Ich denke an Dich … Du fehlst mir … Alles Liebe, Betty. PS: Natürlich komme ich zur Weihnachtsfeier, wenn Du das möchtest.«
Hannos nächstes Lebenszeichen lässt auf sich warten. Drei Tage habe ich das Gefühl zu sterben. Hannos Gedanken scheinenganz bei seiner Familie zu sein und nicht bei mir. Und obwohl das für alle das Beste ist, tut es mir dennoch weh. Erst als ich auf die Idee komme, dass die gesundheitlichen Probleme in der Familie gar nicht so schlimm sein können, da sich Hanno ja auf St. Gallen vorbereitet, beruhige ich mich. Die Gedanken an mich konkurrieren mit seinem Beruf, nicht mit den geliebten Menschen an seiner Seite. Damit kann ich leben.
Trotzdem warte ich ungeduldig auf seine Antwort. Ich habe das Gefühl, in jeder frei verfügbaren Minute auf mein Handy zu schauen beziehungsweise meinen E-Mail-Eingang zu checken. Wieso meldet er sich nicht? Er muss sich doch denken können, dass ich mir Sorgen mache – um ihn und seine Familie. Drei Tage gähnende Leere in meinem Postfach und auf dem Display meines Handys. Dann endlich die Antwort: »Hallo Betty, alles im grünen Bereich. Mein Kleinster hatte eine Blinddarmentzündung. Morgen geht’s nach St. Gallen. Lass‘ es Dir gut gehen. Viele Grüße, Hanno. PS: Schön, dass Du zur Weihnachtsfeier kommst.«
Ich kann es nicht glauben: Wieder nur förmliche Floskeln. Wo sind seine liebevollen Worte geblieben, die mir so viel bedeuteten?
Ich frage mich, was passiert sein könnte. Hat Hanno meinen Wunsch nach weniger Kontakt missverstanden? Glaubt er, dass es mein heimlicher Rückzug aus unserer Beziehung sein sollte? Konnte er seinen Gefühlsschalter einfach umlegen? Oder hat er zu viel zu tun? Aber das hatte er doch eigentlich auch vor unserem letzten Telefonat.
Die Unsicherheit um seine Gefühle mir gegenüber irritiert mich so sehr, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Ich denke nur noch an Hanno. An nichts anderes.
Ich suche fast krampfhaft nach einer Strategie, Hanno im Alltag aus meinem Kopf zu evakuieren. Ich muss mich beschäftigen,mich ablenken. Ich darf Situationen nicht zulassen, die dem Abschweifen meiner Gedanken in die von mir so sehr geliebte Traumwelt Raum bieten. Dies gelingt mir mittelmäßig gut. Ich entscheide mich, meine Sorgen mit Maya zu teilen. Vielleicht hat sie einen Tipp. Wir verabreden uns für Dienstagabend in der »Flocke«.
Als ich kurz nach halb neun dort ankomme, ist Maya noch nicht in der Bar. Ich begrüße Hugo und nehme auf einem Barhocker Platz.
»Lange nicht gesehen, meine Liebe.«
»Da hast du recht! Es ist gerade viel los. Und meistens bin ich froh, wenn ich abends auf dem Sofa sitze und bei einem Glas Wein Fernsehen gucken kann.«
»Soso«, antwortet Hugo. »Ist dein Stress denn positiver Natur?«
Ich überlege kurz. »Ja, eigentlich schon. Man hat mich in ein ziemlich renommiertes Forschungsteam berufen. Was eine große Ehre für mich ist, aber natürlich auch enormen Einsatz fordert.«
»Und, macht es Spaß? Ich meine nur wegen dem ›eigentlich‹.«
Puh, Hugo stellt anstrengende Fragen. Ich versuche, das Gespräch zu beenden. »Ja, es macht großen Spaß.«
Hugo schaut mich etwas ungläubig an. »Pass auf dich auf, Betty. Du machst gerade keinen guten Eindruck, wenn ich das so ehrlich sagen darf.«
Wieder steigen mir die
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