Mein Herz springt (German Edition)
Tränen in die Augen. Ich brauche frische Luft. Und ich muss weg von dem Ort, an dem ich Kalle kennengelernt habe.
Ich verabschiede mich kurz: »Entschuldige, Hugo, ich muss los. Mach‘ dir keine Sorgen. Es ist alles o. k. Es ist nur gerade etwas viel.«
Ich lehne mich über die Theke, gebe Hugo einen Kuss auf die Wange und verlasse gehetzt die Bar.
Draußen läuft mir Maya direkt in die Arme. »Betty-Süße, was ist los? Wo kommst du her? Oder besser gesagt: Wo willst du hin?«
Ich kann meine Tränen nicht mehr aufhalten, lehne mich an Mayas Schulter und weine. Sie nimmt mich fest in die Arme. Das tut gut. Maya stellt keine Fragen. Irgendwann schlägt sie vor: »Komm‘, Betty, lass uns ein paar Schritte gehen. Und dann erzählst du mir in Ruhe, was eigentlich los ist.«
Ich beruhige mich langsam wieder. Wir gehen in Richtung Stadtgarten und setzen uns auf eine Bank am Eingang des Parks, auf die noch das Licht der Straßenlaternen scheint. Maya legt ihren Arm um meine Schultern. Sie sagt nichts. Nach ein paar Minuten breche ich das Schweigen: »Maya, ich brauche deinen Rat. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.«
Maya fragt nicht nach. Sie lässt mich den Gesprächsfluss bestimmen. Heute stehe ich mit meiner Geschichte im Mittelpunkt unseres Treffens.
Ich berichte Maya von meinem Gefühlschaos. Von der Nacht mit Hanno in Hamburg. Von den intensiven Gefühlen danach. Von meiner Entscheidung, den Kontakt zu reduzieren. Und schließlich von meinem Unvermögen, mit den nur noch reaktiven und unpersönlichen Nachrichten von Hanno umzugehen.
Hilfe fordernd suche ich Mayas Blick. »Maya, ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll. Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte. Und jetzt sitze ich hier – wie ein Teenie, dessen Herz gebrochen wurde. Und das Allerbeste ist: Ich bin immer noch glücklich mit Kalle. Ich zweifle keine Sekunde an meiner Ehe. Kalle ist und bleibt das Beste, was mir jemals passiert ist. Das ist doch alles nicht normal! Oder?«
Ich merke Maya an, dass sie um einen Rat für mich ringt. »Puh, Betty. Das ist ganz schön heftig, was du da erzählst. Wassoll ich sagen? Ich fürchte, wenn du deine Ehe mit Kalle nicht riskieren und dich nicht unnötig quälen willst, musst du den Kontakt mit Hanno beenden.«
»Aber das ist nicht so einfach«, unterbreche ich Maya. »Wir arbeiten am gleichen Forschungsvorhaben. Dann müsste ich aus dem Team austreten. Wie sollte ich das den Kölner Kollegen erklären? Und außerdem kann ich einen Menschen, den ich so sehr in mein Herz geschlossen habe, nicht einfach wieder vergessen. So etwas Besonderes erlebt man doch nur ganz selten im Leben. Muss ich nicht dafür kämpfen?«
Maya spürt, dass es mir ernst ist. »O. k., Betty, neuer Vorschlag: Wie wäre es, wenn du Hanno einfach einmal anrufst und ihn fragst, was gerade so in ihm vorgeht? Vielleicht liegt ja wirklich nur ein Missverständnis vor und du machst dir ganz umsonst Gedanken?«
Ich überlege kurz. Eigentlich hat Maya recht. Wieso greife ich nicht einfach zum Hörer? Wieso räume ich meine Zweifel nicht einfach aus dem Weg? Wovor habe ich Angst? Davor, dass er sagt: Dein Anruf hat mir die Augen geöffnet. Wir haben uns da in etwas hineingesteigert, was es einfach nicht gibt. Und wenn das der Fall sein sollte, dann wüsste ich doch, dass meine einzige Strategie die des Vergessens sein könnte. Was hatte ich zu verlieren? Nichts. Außer vielleicht die Hoffnung. Aber die Hoffnung worauf?
»Danke, Maya. Ich glaube, das werde ich tun. Manchmal liegt die Lösung so nah. Tausend Dank.«
»Gerne, Betty, dafür sind Freunde doch da. Auch wenn ich mir ehrlicherweise nicht sicher bin, ob das die richtige Lösung ist. Aber du scheinst entschlossen zu sein. Hanno hat etwas ganz tief in dir bewegt. Und ich kann verstehen, dass du dich auf die Suche nach diesem Geheimnis machst. Pass‘ aber bitte trotzdem auf dich auf. Du hast einen tollen Mann – eine tolle Familie.Und das Eis, auf dem du dich gerade bewegst, ist dünn. Ich will dich nicht desillusionieren, nur ein bisschen sensibilisieren.«
Ich kann Maya verstehen. Genauso würde ich im Zweifel auch reagieren. Aber ich bin mir sicher, dass sie noch nie so etwas erlebt hat, wie ich es mit Hanno erlebt habe. Sie kann also nur bedingt mitreden. Ich fühle mich allerdings viel besser als zuvor. Und das habe ich Maya zu verdanken.
Es ist inzwischen spät geworden. Ich möchte Maya dennoch kurz die
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