Mein Herz tanzt Tango
Donnerstag wegen einer Erkrankung freigenommen und das Büro mit deiner Tanzlehrerin verlassen hast. Stimmt das?“
„Ja.“
„Du solltest dich doch um die Fontaine-Sache kümmern.“
„Ich habe die Sitzung auf Montag verlegt.“
„Nun, Sohn“, begann Daltons Vater mit einer grimmigen Miene, die vielleicht teilweise auch darauf zurückzuführen war, dass auf seinem Teller nur gesunde gedünstete Kartoffeln lagen. „Ich will mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen, aber findest du nicht, dass …“
„Dad. Ich habe mir einen Nachmittag freigenommen. Es ist nichts passiert. Die Bank ist nicht über mir zusammengebrochen.“
„Mach dich nicht lustig über mich!“, sagte sein Vater mit donnernder Stimme. „Darüber gibt es nichts zu scherzen!“
„William“, warnte Daltons Mutter. Beruhigend legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Du weißt, dass dir der Arzt jede Aufregung verboten hat.“
„Ich rege mich nicht auf. Ich versuche nur sicherzustellen, dass die Person, die in Kürze mein Erbe antreten wird, sich über ihre Verpflichtungen im Bilde ist.“
„Ich bin sicher, dass Dalton über seine Verpflichtungen bestens Bescheid weiß“, versuchte Daltons Mutter ihren Mann zu beschwichtigen. „Du musst dich jetzt beruhigen. Versuch es mit der Meditationstechnik, die dir die Therapeutin im Krankenhaus gezeigt hat.“
„Zum Teufel noch mal, ich will nicht meditieren, ich will Gewissheit, dass der Junge meine Bank, die ich und mein Vater gemeinsam aufgebaut haben, nicht in kürzester Zeit in den Ruin treibt. Und im Übrigen: Wann hast du eigentlich vor, selber eine Familie zu gründen? Miranda Browning wird auch nicht jünger!“
„Erstens“, erklärte Dalton bewusst leise und ruhig, „bin ich kein Junge mehr, sondern ein Mann. Zweitens sind Miranda und ich nur Freunde, nichts weiter. Drittens geht es deiner Bank unter meiner Leitung bestens. In den letzten zwei Quartalen konnte sie Rekordgewinne verzeichnen, wie du sicher weißt. Auch die Kundenzufriedenheit ist höher als je zuvor. Außerdem wurden in den Bezirken Polk und Hampstead insgesamt fünfzehn neue Filialen eröffnet, während …“
„Alles gut und schön“, wütete sein Vater in voller Lautstärke. „Aber du darfst dich nicht auf deinen Lorbeeren ausruhen. Du musst dort sein, Präsenz zeigen. Die Angestellten müssen wissen, wer der Chef ist!“
Dalton verkniff sich ein bitteres Lächeln. Es war ja wohl klar, wer hier der Chef war.
„Wow, das war perfekt!“ Rose durchquerte das Tanzstudio, um eine neue CD einzulegen. Sie hatte etwas Angst vor der ersten Tanzstunde nach ihrem Zusammensein gehabt, doch die hatte sich als unbegründet erwiesen. Ganz im Gegenteil, alles lief großartig.
„Findest du wirklich, dass ich besser werde?“, wollte Dalton wissen.
„Musst du das noch fragen? Merkst du es nicht selber?“
„Doch, irgendwie schon. Aber ich war mir nicht sicher, ob der Unterschied, den ich spüre, wirklich etwas mit dem Tanzen und nicht vielmehr damit zu tun hat, was ich für dich empfinde.“
Sie drohte ihm spielerisch mit dem Finger. „Hatte ich dir das nicht von Anfang an gesagt? Der Tango ist vor allem eine Frage des Gefühls. Abgesehen davon beherrschst du die Grundschritte mittlerweile einigermaßen sicher, du hast zu improvisieren gelernt, und du bist in der Lage, mich zu führen. Glaub mir, ich bin wirklich sehr beeindruckt von deinen Fortschritten.“
Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, war sie sich keineswegs sicher gewesen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Doch nun, eine Woche später, begehrte sie Dalton nur noch stärker. Obwohl ihr Kopf ihr riet, sich auf keine Beziehung einzulassen, wünschte sich ihr Herz nichts sehnlicher als zu leben, zu lachen und zu lieben. Deshalb hatte sie sich entschlossen, Dalton heute einige Feinheiten des Tangos beizubringen. Wie praktisch, dass Anna bei einer Freundin übernachtete!
„Und, was kommt als Nächstes?“, fragte Dalton, der sich mit einer Flasche Wasser aus dem Kühlschrank erfrischte.
„Ich habe eine Überraschung für dich.“
„Wirklich?“
„Warte hier.“ Rose lief aus dem Studio, schloss die Vordertür ab und löschte im Empfangsbereich das Licht. Dann ließ sie die Jalousien herunter und holte Kerzen aus der Abstellkammer. Sie zündete sie an und setzte ein paar in den Zimmerbrunnen, die anderen arrangierte sie hübsch im Raum.
„Was machst du so lange?“, rief Dalton aus dem Studio.
„Das wirst du schon sehen!
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