Mein Herz tanzt Tango
posierte vor den raumhohen Fenstern. Die Nachmittagssonne tauchte ihr Gesicht und ihren Hals in goldenes Licht. Instinktiv ließ sie ihren weißen Satin-Bademantel weiter über ihre Schultern nach unten gleiten.
Ein zufriedenes „Hm“ von Dalton sagte ihr alles, was sie wissen musste. Ihr Plan, ihn aus seinem Büro hin zu seiner Leidenschaft zu locken, war aufgegangen. Gleiches galt für ihren ersten Versuch, einmal einen Nachmittag lang nicht Witwe, Mutter und Tanzlehrerin, sondern nur Frau zu sein.
Dalton war erst seit einigen Stunden bei der Arbeit, aber seine Skulptur von Rose nahm bereits Gestalt an. Der ziegelsteingroße Tonbrocken, den sie ihm mit in die Bank gebracht hatte, war nur ein Appetithappen gewesen. In ihrer Wohnung hatten zwei Zwölf-Kilo-Säcke mit feuchtem, rotem Ton gewartet, den Dalton nun mithilfe eines Untergestells aus Draht zu einem weiblichen Körper formte.
„Ich habe dich noch nie so entspannt gesehen“, bemerkte sie, während sie ihren Kopf vorsichtig in eine angenehmere Position verlagerte.
Dalton spritzte etwas Wasser auf den Ton. „Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich schon jemals so entspannt war. Ich hatte völlig vergessen, wie viel Spaß das macht!“
„Wieso gönnst du dir diesen Spaß dann nicht öfter?“
„Weil mir Zeit meines Lebens eingetrichtert wurde, dass Kunst etwas für Weicheier ist. Es sei denn, es handelt sich um Kunstwerke, die bei Auktionen für Millionenbeträge gehandelt werden.“
Danach erzählte er Rose, wie er seinen Eltern erklärt hatte, er wolle nicht den Rest seines Lebens in der Bank verbringen. Daraufhin hatte sein Vater die Tonbüste, die Dalton ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, in den Kamin geworfen.
In seiner Erzählung ließ er allerdings aus, dass er unmittelbar nach dem College Carly geheiratet und mit dem Geld aus dem Verkauf des neuen Mustangs, den seine Eltern ihm zum Abschluss geschenkt hatten, eine kleine Kunstgalerie eröffnet hatte.
Dalton hatte gedacht, dass es ihn traurig machen würde, wenn er Rose von seiner Vergangenheit erzählte. Doch er empfand es als angenehm reinigend für die Seele.
Vielleicht würde er so seine Angst vor einer Beziehung mit einer anderen kreativen Frau überwinden können. Aber im Augenblick zählte nur Roses Lächeln, mit dem sie ihn unterstützte.
Plötzlich verließ sie ihr sonniges Plätzchen und stellte sich zwischen ihn und seinen Plastiksack voller Ton. Sie legte ihm die Arme um den Hals und drückte ihn voller Hingabe an sich.
„Vorsicht!“ Er hielt seine vom Ton rotbraun gefärbten Hände hoch. „Sonst mache ich dich schmutzig.“
„Na und?“ Sie zwinkerte ihm schelmisch zu. „Vielleicht bin ich ja gerne schmutzig?“
Rose griff hinter sich und bohrte ihren Zeigefinger in den Ton. Dann malte sie zwei rote Linien auf Daltons Wangen.
„Was soll das werden?“, fragte er verblüfft.
„Das verleiht dir zusätzliche Kraft und Stärke.“
„Ton in meinem Gesicht verleiht mir Kraft und Stärke?“ Dalton verstand noch immer nicht.
„Ja, das ist eine Kriegsbemalung wie die der Indianer. Schließlich führst du sozusagen einen Krieg gegen deinen Vater, in dem es darum geht, wie du dein Leben verbringen möchtest.“
„So dramatisch würde ich es nicht ausdrücken.“ Besonders, weil er wahrscheinlich eher mit sich selber als mit seinem Vater kämpfte.
„Wie würdest du es dann nennen?“ Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und drängte sich mit den Knien zwischen seine Beine. „Schließlich stehen wir beide hier, würden uns gerne näherkommen, und doch hält dich etwas zurück. Wenn es nicht dein Vater und seine Bank sind, was ist es dann?“
„Das verstehst du nicht“, sagte Dalton. „So einfach ist das alles nicht.“
„Dann erklär es mir.“
„Vor dem Herzinfarkt hätte ich ihm vielleicht noch sagen können, was ich darüber denke, die Familientradition weiterzuführen, aber jetzt …“ Seine Stimme wurde immer brüchiger.
Rose zog seinen Kopf an ihren Oberkörper. Durch das seidig-dünne Gewebe ihres Morgenmantels spürte sie seine Bartstoppeln an ihren Brüsten. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Sie strich ihm einige Strähnen aus der Stirn. „Das mit deinem Vater tut mir sehr leid, Dalton, wirklich. Aber verstehst du nicht, dass du versuchst, dein Leben gegen seines einzutauschen? Dir gegenüber ist das einfach nicht fair. Glaubst du, dein Vater würde ein solches Opfer von dir überhaupt wollen?“
Sie gab ihm keine
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