Mein Herz und deine Krone
muskulös.
Seltsam, die anderen Interessenten waren entweder lokale Rancher gewesen, die ihren Landbesitz vergrößern wollten, oder Männer in Businessanzügen aus der Stadt.
Egal. Sie musste zu jedem freundlich sein, der dieses Anwesen kaufen wollte, und ihr dadurch half, die Schulden ihres Vaters zu tilgen, der sich seit Jahren geweigert hatte einzusehen, dass die Welt sich um ihn herum veränderte.
Also zwang Holly ein Lächeln auf ihre Lippen und lief auf die Männer zu, weil sie aus einem plötzlichen Instinkt heraus nicht wollte, dass sie den Grabstein ihres kleinen Sohnes sahen.
Aus der Nähe betrachtet, erschienen ihr die vier noch jünger als gedacht und irgendwie fremdländisch. Ihre Haut wies den gleichen olivenfarbenen Ton auf, wie Andreas ihn gehabt hatte. Sie wirkten ernst, sehr entschlossen und kamen in breiter Reihe auf sie zu.
Holly spürte, wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Sie war ganz allein hier draußen. Niemand würde sie hören, wenn sie schrie.
Unsinn!, schalt sie sich. Warum gleich Gespenster sehen? Hier gab es nichts zu stehlen, und dass jemand extra mit einem Helikopter angeflogen kam, um ihr etwas anzutun, erschien Holly dann doch zu absurd. Also wischte sie ihre feuchten Hände an den Jeans ab, reckte das Kinn vor und strich sich die ungebärdigen blonden Locken hinters Ohr.
„Hi, kann ich Ihnen helfen?“ Auf den dunklen Gesichtern zeigte sich nicht die Spur eines entgegenkommenden Lächelns, und Hollys Unbehagen wuchs. „Sind Sie Holly Cavanagh?“, fragte einer der Männer, der ihr wie ein Anführer erschien.
„Die bin ich.“
Wahrscheinlich war er Grieche, denn Andreas hatte mit einem ähnlichen Akzent gesprochen. Vielleicht stammte die ganze Truppe ja aus Aristo, wo auch Andreas herkam. Der Gedanke ließ das Ganze noch unwirklicher und fantastischer erscheinen.
Oder auch nicht …
Hatte sie nicht gerade erst etwas über politische Unruhen in dem Insel-Königreich gehört? Soweit sie sich erinnerte, hatte es etwas mit ziemlich nebulösen Verträgen und Geschäftsabschlüssen zu tun, die König Aegeus nicht lange vor seinem unerwarteten Tod abgeschlossen hatte. Neben neu etablierten Casinos, die für leicht zu machendes Geld standen, gab es Gerüchte um Bestechung und Korruption in höchsten Kreisen.
Aber was hatte das alles mit ihr zu tun?
Holly hörte auf, nutzlos zu spekulieren, denn die Männer hatten sie inzwischen erreicht. Entschlossen hielt sie dem Sprecher ihre ausgestreckte Hand entgegen. Der ergriff sie tatsächlich, ließ ihre Finger nach einem förmlichen kurzen Druck allerdings nicht wie erwartet los, sondern umklammerte sie regelrecht und zog
Holly mit einem Ruck an sich heran.
„Sie kommen mit uns“, erklärte er der fassungslosen Holly ohne Umschweife. „Wie bitte?“ Der Mann beachtete sie gar nicht mehr, sondern zog sie mit sich in Richtung des Helikopters. Holly begann zu schreien. So laut sie nur konnte. Aber wer sollte sie hier hören?
„Nun sieh zu, dass du sie in den Heli bekommst!“, murrte einer der anderen Männer in seiner Heimatsprache, die Holly verstand. Andreas hatte sie ihr beigebracht, und sie erwies sich als eifrige und ehrgeizige Schülerin, damit sie und ihre große Liebe sich besser unterhalten konnten. „Aber tu ihr nicht weh dabei.“
„Nein, nein!“, protestierte sie, hatte aber keine Chance gegen die körperliche Überlegenheit des Mannes. „Was … warum?“
„Ruhe!“, knurrte ihr Peiniger. „Kein Grund, in Panik zu verfallen. Prinz Andreas will Sie sehen, und was der Prinz will, das bekommt er auch.“
Der Anruf kam kurz nach Ende des Dinners.
Einer der Diener gab Andreas ein unauffälliges Zeichen, und der zog sich diskret aus dem Kreis seiner Familie zurück und verließ das Speisezimmer.
Da gerade die beunruhigenden Skandale um die königliche Familie allgemeines Gesprächsthema waren, und mehr oder weniger heiß diskutiert wurden, fiel seine Abwesenheit kaum auf. Zu Zeiten seines Vaters wäre es allerdings undenkbar gewesen, sich vom Tisch zu erheben, ehe nicht auch das letzte männliche Mitglied der Karedes-Familie seinen Port ausgetrunken hatte.
Doch der König war tot. Aber niemand wagte momentan, den zweiten Teil der Deklamation auszusprechen: Lang lebe der Kö nig!
Denn ohne den wiederbeschafften halben Stefani-Diamanten konnte es gar keine Krönung geben. Für das Königshaus eine Zitterpartie, fürs Volk ein Unsicherheitsfaktor, der Angst und Unmut schürte, und fürs rivalisierende
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