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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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lassen, und der Mann, der ins Schloss gekommen war, hatte die Königin zur allgemeinen Überraschung gebeten, sich auf den Thron zu setzen und den Mund weit zu öffnen.
    Offenbar gab es Kronen, die auf königlichen Köpfen getragen wurden … und dann gab es noch Kronen, die auf Zähnen saßen, wenn jemand ernste Zahnprobleme hatte.
    In Kapitän Crabbes Samttaschen steckten Sonden, Zangen und Spiegel.
    »Sie sind … Sie sind Zahnarzt?«, fragte Oliver.
    Zunächst machte der Kapitän vor lauter Überraschung Stielaugen. Genauso schnell hatte er sich aber wieder gefangen. »Nein, ich bin ein furchterregender Pirat, und du, mein Junge, bist ein Appetithappen.«
    »Schon möglich«, sagte Oliver. »Aber Sie sind auch Zahnarzt.«
    Kapitän Crabbe schnaubte und stürzte zu Oliver hinüber, um ihm mit der Hand den Mund zu verschließen. »Das erzählst du doch aber niemandem, oder? Ich habe auf den Weltmeeren einen Ruf zu verlieren!«
    »Kommt darauf an, ob Sie mich gehen lassen«, meinte Oliver.
    »Kann ich nicht«, sagte der Kapitän kopfschüttelnd. »Wenn ich nicht dich an Pyro verfüttere, werde ich vermutlich selbst als seine Mahlzeit enden.«
    Oliver dachte darüber nach. »Und wenn ich Ihnen nun sagen würde«, lockte er ihn, »dass es eine Möglichkeit gibt, das Kap der Gezeiten zu umfahren … und Ihnen außerdem den besten Zahnpatienten besorge, den Sie jemals gehabt haben?«

O liver
    Schon den ganzen Tag warte ich darauf, dass Delilah nach der Schule wieder zu mir kommt. Ich will ihr nämlich noch mehr über das Märchen erzählen, das ich bei Rapscullio gefunden habe. Und ich will wissen, ob sie glaubt, dass dieser neue Plan besser funktionieren wird, denn ich möchte nicht als flaches blaues Strichmännchen in ihrer Welt herumlaufen. Ich brauche ihren Rat, was ich in das Buch schreiben soll und an welcher Stelle, schließlich ist sie offenbar eine erfahrene Leserin. Und dann müssen wir Pläne schmieden, was wir tun werden, falls, nein, wenn ich es hier herausschaffe.

    Wem versuche ich eigentlich etwas vorzumachen? Was ich will, ist einfach, mehr Zeit mit Delilah zu verbringen.
    Ich glaube, wenn man in einer Welt mit engen Grenzen lebt, wie ich es bisher getan habe – wenn man jeden kennengelernt und alles gesehen hat, was man je zu sehen bekommen wird –, dann verliert man die Hoffnung, dass einem doch irgendwann etwas Außergewöhnliches widerfahren wird. Unsere Handlungen und Interaktionen mit anderen sind doch immer nur ein Abklatsch des ewig selben Ablaufs. Aber mit Delilah ist alles neu und faszinierend. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass es eine Art pustende Luftpistole gibt, um nasse Haare zu trocknen, damit die Spitzen nicht gefrieren, wenn man an einem kalten Morgen ausreitet? Wer hätte gedacht, dass es Geräte gibt, die nur eine einzige Seite haben, die sich aber, wenn man einen Knopf drückt, immer wieder mit neuem Text füllt? Jede Frage, die ich Delilah stelle, beantwortet sie mit einer Gegenfrage: Ob es noch mehr solche Bücher wie dieses gebe und ob alle Figuren weiterexistierten, wenn man gerade nicht lese? (Bei solchen Fragen muss ich passen, denn ich kann ja nur aus eigener Erfahrung sprechen.) Wann mir zum ersten Mal bewusst geworden sei, dass ich in einer Geschichte gefangen bin, anstatt schlicht davon auszugehen, dass ich mein eigenes Leben lebe? (Schwer zu beantworten auch diese Frage, da ich hier drin immer sechzehn gewesen bin und bleiben werde.) Und dann gibt es noch die Fragen, die sie mir im Flüsterton stellt, wenn es dunkel wird und um uns herum alles still ist: Wer wärst du gern, wenn du es dir aussuchen könntest? Wo würdest du hingehen?
    Nicht immer habe ich eine Antwort parat. Aber allein die Tatsache, dass Delilah mich fragt, ist wie ein Wunder für mich. Nie zuvor hat jemand für möglich gehalten, ich könnte irgendetwas anderes sein als das, was ich auf der Buchseite zu sein scheine. Kein Leser hat jemals vermutet, dass es in meinem Kopf andere Gedanken geben könnte als jene, die ein Autor dort hineingesetzt hat.
    Gestern Abend hat Delilah mich gefragt, ob ich an das Schicksal glaube.
    »Wohl kaum«, sagte ich. »Denn ich kann einfach nicht akzeptieren dass es mein Schicksal sein soll, nur eine Rolle in der Geschichte eines anderen zu spielen.«
    »Aber wenn es nun gar nicht so ist?«, flüsterte Delilah. Es war schon spät, nach Mitternacht, und der Mond warf einen silbrigen Schein auf eine Hälfte ihres Gesichts. Sie sah aus wie aus einer anderen Welt,

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