Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
ausgeliehen?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich es aus Versehen vor dem Unterricht in der Cafeteria habe liegen lassen …«
»Also, wenn es jemand abgibt, sage ich dir Bescheid.«
Als ich die Schulbücherei verlasse, krampft sich mein Magen zusammen. Und wenn ich das Buch nun nicht wiederfinde? Wenn es für immer weg ist?
Was soll ich nur ohne ihn tun?
Ich war noch nie verliebt, aber ich habe es mir sonderbarerweise immer wie in einem dieser Werbespots für Allzweckreiniger vorgestellt. Der Präsentator zeigt eine ganz normale Alltagsszene, und dann nimmt er einen großen alten Schwamm, der in Liebe getaucht ist, und putzt den Grauschleier weg. Plötzlich ist die Szene makellos rein, alles Störende, alle Einsamkeit wie weggewischt. Die Farben strahlen auf einmal wie Edelsteine, zehnmal intensiver als zuvor. Die Musik ist lauter und klarer. Liebe , sagt der Präsentator, macht das Leben ein bisschen heller .
Wenn ich mit Oliver rede, habe ich das Gefühl, es gibt nur uns beide auf der Welt.
Wenn ich mit Oliver rede, steht mein Mund nicht still. Ich möchte wissen, wie alt er war, als er reiten gelernt hat, was seine Lieblingsfarbe ist und was ihm durch den Kopf geht, bevor er einschläft.
Wenn ich mit Oliver rede, frage ich mich, wie es wäre, wenn er meine Hand hielte.
Auch wenn Ryan und meine Mutter anderer Ansicht sind – ich lese Märchen nicht, weil ich mich nach dem Märchenprinzen sehne.
Es ist nur so, dass ich mich in Olivers Gegenwart unwillkürlich wie eine Prinzessin fühle.
In der siebten Stunde haben Jules und ich Fahrunterricht, die einzige Stunde, in der wir dieses Semester zusammen sind. Der Dritte im Bunde, Louis Lamotte, der immer nach Suppe riecht, ist am Steuer. Das heißt, dass Jules und ich hinten sitzen müssen, während Mr Barnaby vorne versucht, Louis auf der richtigen Fahrspur zu halten.
»Erzählst du mir jetzt, warum du sauer auf mich bist, oder muss ich dir alles aus der Nase ziehen?«, sagt Jules.
»Ich bin nicht sauer auf dich!«
»Ja, schon klar. Du beantwortest nur das ganze Wochenende keine SMS , du wartest nach der Schule nicht auf mich, und heute beim Mittagessen hast du mich total ignoriert. Als ich dir gesagt habe, mir würde ein Asteroid aus dem Po wachsen, hast du nur gemeint: Wie schön .«
»Ich bin nur gerade ein bisschen zerstreut«, erkläre ich ihr. »Wirklich, ich bin nicht sauer.«
»Mädchen«, wendet sich Mr Barnaby an uns, »ihr müsst schon zusehen .«
Jules beachtet ihn nicht. »Als du Allie McAndrews letztes Jahr beim Softball die Kniescheibe zertrümmert hast, habe ich es als Erste erfahren. Du hast mich völlig hysterisch angerufen und gesagt, ich müsste mit dir nach Mexiko abhauen, weil du nicht mehr in die Schule gehen könntest. Heute erfahre ich von diesem Typen, der in der Schulbücherei immer laut schmatzend Kaugummi kaut, dass du Allie die Nase gebrochen hast.« Sie sieht mich an. »Ich kenne nicht einmal den Namen von diesem Typen und er wusste mehr über meine beste Freundin als ich.«
»Hör mal«, verteidige ich mich. »Ich verberge nichts vor dir. Und du bist immer noch meine beste Freundin. Bei mir zu Hause ist nur im Augenblick alles so … verkorkst. Meine Mutter will mich zu einem Seelenklempner schicken.«
Jules zuckt die Achseln. »Na wenn schon. Da schleppen mich meine Eltern zwei- bis dreimal pro Jahr hin. Erzähl denen einfach, du hättest tiefsitzende Probleme mit deinem Vater, dann erklären sie dich für geheilt.«
»Mädchen«, ermahnt uns Mr Barnaby über die Schulter. »Louis muss sich konzentrieren.«
»Louis muss eine Menge«, sagt Jules flüsternd. »Zuallererst einmal duschen.«
Gegen meinen Willen muss ich kichern. Jules sieht mich von der Seite an und gibt mir einen Knuff mit der Schulter. »Lass mich nicht links liegen, okay?« Und mir nichts, dir nichts ist mir verziehen.
Verzweifelt bin ich im Geist immer wieder durchgegangen, was ich am Morgen alles nacheinander gemacht habe, um herauszufinden, wo das Buch abgeblieben sein könnte. Bei Unterrichtsschluss ist es immer noch nicht aufgetaucht. Ich trotte zur Straße, wo schon die Autos der Eltern warten, und sehe den Van meiner Mutter.
»Na«, begrüßt sie mich, als ich die Tür öffne, »wie war dein Tag?«
Ich zucke die Schultern. »Wie immer.«
»Ach, wirklich? Ich dachte, das hier hast du vielleicht vermisst.« Sie greift neben sich und zieht Mein Herz zwischen den Zeilen hervor.
»Wo hast du es gefunden?«, kreische ich und reiße es ihr
Weitere Kostenlose Bücher