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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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begutachten.
    »Acht …«
    Socks verdreht den Hals und beäugt voller Panik das Instrument.
    »Sieben …«
    Ich schwinge mich auf das Pferd und beuge mich über seine Mähne. »Es ist deine Entscheidung, Socks. Du kannst es auf deine Weise machen oder auf seine.«
    »Sechs …«
    »Im Zwielicht eine Eiterbeule öffnen, was kann es Schöneres geben«, sagt Kapitän Crabbe mit einem Seufzer.
    »Fünf …«
    »Und?«, frage ich. »Wie hast du dich entschieden?«
    »Vier … drei …«
    Socks trippelt nervös herum. »Ähm … ähm …«
    »Zwei …«
    Kapitän Crabbe hebt den Arm genau in dem Moment, als mehrere Feen erschöpft in kleinen, goldglitzernden Wolken auf den Scheunenboden fallen.
    »Eins!«
    »Warte!«, schreit Socks, aber Kapitän Crabbe hat ihm bereits die Spritze ins Hinterteil gerammt, woraufhin das Pferd mit großem Krach die Scheunenwand durchbricht. Das Holz splittert und bricht entzwei, gerade als der Himmel über uns blendend weiß wird und die übrigen Feen am Rand der Kulisse ihren Halt verlieren. »Alles auf die Plätze!«, kreischt Frump. Obwohl ich die Fersen in Socks’ Flanken stemme, rennt er mörderisch schnell, sodass ich mich kaum festklammern kann. Ein Blick zurück zeigt vollkommenes Chaos – Figuren trampeln übereinander hinweg, um an die richtige Stelle zu gelangen; Wörter bleiben stecken und verheddern sich im Versuch, sich auf der Seite neu zu sortieren, der Stall liegt nach Socks’ Flucht in Trümmern.
    Nein, doch nicht.
    Socks galoppiert weiter, und ich sehe über meine Schulter, wie die kaputten Holzbretter der Scheune sich langsam wieder zusammensetzen, bis die Wand, die kurz zuvor zerstört war, so gut wie neu dasteht.
    Rapscullio.
    Warum ist mir Rapscullio nicht eingefallen?
    Jedes Mal, wenn die Geschichte erzählt wird, kämpfen wir am Ende gegeneinander. Da stehe ich, unbewaffnet, während Rapscullio sein Schwert schwingt. Schließlich befinde ich mich mit dem Rücken zum Fenster des Turms. Zwanzig Meter unter mir schäumt der wütende Ozean gegen eine Felsenklippe. Die Gischt spritzt in einer Wolke empor. »Adieu, Prinz Oliver«, sagt Rapscullio dann jedes Mal mit einem hämischen Grinsen. Doch wenn er sich mit gezücktem Schwert auf mich stürzt, ducke ich mich zur Seite. Rapscullio, der ins Leere sticht, fällt kopfüber durch das offene Fenster und stürzt mit einem gellenden Schrei in den Tod.
    Aber nur ein paar Seiten weiter heiraten Seraphima und ich am Strand, das Buch schließt sich und Rapscullio läuft von Seite zu Seite, jagt Schmetterlinge, stickt Gobelins oder probiert ein neues Rezept für Zitronenkuchen aus, den die Trolle bereitwillig kosten. Mit anderen Worten, er wirkt kein bisschen lädiert.
    Er fällt zwanzig Meter tief auf scharfkantige Felsen in die wogende Meeresbrandung und ist hinterher völlig unversehrt.
    Jetzt, wo ich darüber nachdenke, geschieht auf den Seiten so einiges, wovon Augenblicke später nichts mehr zu sehen ist. Wenn ich mich also selbst aus dem Märchen schreibe … dann erwache ich vielleicht am nächsten Morgen wieder genau da, wo ich angefangen habe.
    Jedenfalls, so wird mir klar, muss ich das testen. Persönlich testen. Auch wenn es mir Angst macht, ich muss mich verletzen lassen – denn nur dann werde ich wissen, ob es irgendeine Hoffnung darauf gibt, dass sich meine Geschichte für alle Zeiten ändert.
    »Ich zeige es Ihnen«, sagt Delilah, und schon erfüllt ihre Stimme mein ganzes Denken. »Ich habe mir das nicht ausgedacht.« Plötzlich hänge ich verzweifelt an der Felswand und blicke hinauf zu dem Turm, in dem Seraphima festgehalten wird.
    Mit anderen Worten, das Buch wurde aufgeschlagen und ich befinde mich auf Seite 43.
    Mit wem spricht sie bloß ?
    Ich spähe über die Schulter und sehe Delilah – und ein weiteres Gesicht, das auf mich herunterblickt.
    Irgendein Typ, den ich noch nie gesehen habe, mit einem braunen Haarschopf und freundlichen blauen Augen.
    Er kommt mir ein bisschen alt für sie vor, aber trotzdem spüre ich in meinen Eingeweiden die Eifersucht wie einen brennenden Stich. Wenn ich nun meinen Dolch zwischen den Zähnen hervorziehen würde, könnte ich ihn nach ihm werfen? Oder würde er einfach an der Wand zwischen uns abprallen?
    »Oliver«, sagt Delilah.
    Das gefällt mir schon besser, meine Liebste.
    »Sag doch was.«
    Ich erstarre, vollkommen verwirrt. Soll ich nun laut mit ihr sprechen oder nicht? Delilah ändert ihre Meinung diesbezüglich offenbar genauso oft, wie Socks neue

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