Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Oliver. »Ich bin nicht gekommen, um gegen dich zu kämpfen. Ich bin hier, um dir zu helfen!«
Drohend trat der Drache einen Schritt vor und brüllte. Flammen versengten Olivers Stirnhaar.
Ihm fiel ein Kindermärchen ein, das ihm seine Mutter oft abends vorgelesen hatte. »Ei«, sagte Oliver sanft, »was hast du bloß für große Zähne.«
Der Drache ließ stolz seinen mächtigen Überbiss aufblitzen und knirschte mit den Zähnen, nur Zentimeter von Olivers Gesicht entfernt.
Doch Oliver zuckte nicht vor der Rauchwolke seines Atems zurück, sondern runzelte nur die Stirn. »Da ist es ja kein Wunder«, fuhr er fort, »dass du solche Schmerzen hast.«
Der Drache, eben im Begriff, ihm einen Schwanzhieb zu versetzen, hielt inne.
»Hör mal, es gibt keinen Grund, sich wegen Zahnproblemen zu schämen.«
Pyro fauchte, und ein Feuerball setzte einen Baum links von Oliver in Flammen. »Leugnen macht es auch nicht besser«, beharrte Oliver. »Sei ehrlich, hast du einen rauchigen Nachgeschmack im Mund?«
Der Drache blinzelte.
»Das typische Symptom. Mein Freund, du leidest an einem impaktierten Feuerzahn. Unbehandelt kann das zu schuppiger Haut führen, aufgeblähten Nüstern, einer versengten Zunge …«
Mit jedem Symptom, das der Drache bei sich wiedererkannte, zog er sich ein Stück weiter zurück, die Augen schreckgeweitet.
»… und schließlich zum vorzeitigen Tod.«
Der Drache kauerte sich hin und presste das Maul fest zusammen.
»Aber du hast Glück, ich kenne mich nämlich ein bisschen mit Kieferorthopädie aus.« Oliver trat einen Schritt vor. »Schließ einfach die Augen und mach den Mund ganz weit auf.«
Langsam und voller Argwohn öffnete der Drache sein riesiges Maul.
Hier an dieser Stelle war sein Vater gestorben. Mit angehaltenem Atem kletterte Oliver vorsichtig auf die schwammige Zunge des Untiers. Staunend starrte er auf die Zähne, groß wie Felsbrocken, mit Fleisch- und Blutresten in den Zwischenräumen. Er rutschte aus, und als er auf die Knie fiel, blitzte ihm etwas entgegen. Es sah aus wie eine Silberfüllung.
Oliver kniff die Augen zusammen und stellte fest, dass es keine Zahnfüllung war. Es war ein Ritterhelm, ein Teil jener Rüstung, die er zusammen mit Orville entwickelt hatte, und zwar aus dem stärksten und feuerbeständigsten Material, das es im Königreich gab. Jetzt war davon nur noch eine zusammengepresste Metallkugel übrig.
Dieser Ritter war gestorben. Olivers Vater war gestorben. Der Drache konnte Oliver mit Haut und Haaren verschlingen. So geschickt er sich auch mit Worten und Lügen und Listen zu verteidigen wusste, nichts vermochte ihn vor körperlichem Schaden zu bewahren.
Wie um diese Tatsache zu unterstreichen, rülpste der Drache, und dabei wehte eine feurige Bö auf Oliver zu. Er griff in seinen Rucksack und schloss die Finger um den Feuerlöscher, den ihm die Meerjungfrauen mitgegeben hatten.
Dann zog er den Metallstift heraus, um ihn zu aktivieren, und legte den Behälter vorsichtig zwischen zwei mächtige Backenzähne. »Jetzt möchte ich«, erklärte er und trat vorsichtig den Rückzug aus der Mundhöhle des Drachen an, wobei er sich den Speichel vom Wams wischte, »dass du ganz vorsichtig zubeißt.«
Pyro klappte den Mund zu. Oliver zählte leise bis drei und auf einmal quoll weißer Schaum zwischen den Zähnen des Drachen hervor. »Ah«, sagte er. »Ich sehe, dass es funktioniert …«
Der Drache begann zu keuchen. Er öffnete das Maul, aber statt eines Flammenstoßes kam nur ein kümmerliches Hüsteln heraus. Wie ein in die Enge gedrängtes Tier fing Pyro an, mit den Klauen und dem Schwanz um sich zu schlagen und in der Luft herumzufuchteln. Oliver sprang zur Seite und versteckte sich hinter einem Felsen, während der Drache den Hügel hinab zum Meer floh.
Als das Gebrüll des Drachen schwächer wurde, folgte Oliver ihm. Pyro steckte den Kopf ins Wasser. Er trank gierig, um den Geschmack der Chemikalien wegzuspülen. Während sein Kopf untergetaucht war, wagten sich Scuttle und Walleye aus ihren Verstecken hervor, warfen ihre Netze über Pyro und fingen auf diese Weise den Drachen ein, der ein schwaches Fauchen ausstieß. Nun kam Kapitän Crabbe mit einem großen Kanister. »Ist schon gut, mein Freund, du wirst gar nichts spüren.« Er steckte dem Drachen einen Schlauch in den Mund und pumpte Lachgas in seine Lungen. Pyros Überbiss verzog sich zu einem trunkenen Grinsen. Seine mächtigen Augenlider klappten zu und sein Brüllen wurde zu einem lauten,
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