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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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gehe, aber es ist mir auch egal. Alles ist egal, wenn ich nicht nach Hause kann.
    Ich zwinge mich, mich nicht umzuschauen, um zu sehen, ob Oliver mir folgt. Ich habe Angst, dass er es tut.
    Aber noch mehr fürchte ich, dass nicht.
    Mein Abgang aus dem Schloss ist viel unspektakulärer als meine Ankunft. Mehrere Hofdamen nicken mir zu, als ich den Vorplatz passiere, und der Wächter, der auf meinem Allerwertesten gesessen hat, um mich in Schach zu halten, wünscht mir einen schönen Tag. Ich befinde mich in einem Königreich, das nicht meines ist, in einer Welt, zu der ich nicht gehöre.
    Sobald ich die Schlossmauern hinter mir gelassen habe, beginne ich zu rennen. Ich laufe durch Kulissen, die ich kenne, aber ich halte nicht an, um sie mir genauer anzusehen. Alles, woran ich denken kann, ist meine Mutter, die unten im Wohnzimmer mit einer Schüssel Popcorn auf mich wartet. Wie lange wird es wohl dauern, bis sie merkt, dass ich weg bin? Wird sie zur Polizei gehen? Und wie wird man sich dort mein Verschwinden erklären? Wer tröstet sie, wenn sie am Boden zerstört ist? Außer mir hat meine Mom niemanden. Seit mein Vater weg ist, hat es immer nur uns beide gegeben.
    Der einzige Vertraute, den ich hier an diesem Ort habe, hat mich hintergangen. Und wenn ich Oliver nicht vertrauen kann, gibt es keinen Grund für mich, hier zu sein. Es ist wahrscheinlich idiotisch zu glauben, einen Traumtypen wie den Oliver in meiner Fantasie könnte es wirklich geben. Das war nur ein Hirngespinst von mir.
    Folgende Wahrheit über die Liebe wird einem immer verschwiegen: Es tut weh, wenn sie einem das Herz bricht.
    Inmitten zerklüfteter Felsbrocken, die wie Haifischzähne aufragen, sitze ich am Meeresstrand. In der Ferne schaukelt Kapitän Crabbes Schiff am Horizont. Der Turm von Timble thront bedrohlich oben auf der Steilklippe.
    Ich ziehe die Knie an die Brust. Ein aufregendes Abenteuer – der Versuch, Oliver aus dem Buch herauszuholen – hat sich jetzt, da ich selbst hier drin feststecke, als absoluter Albtraum entpuppt.
    Ich pflücke einen Löwenzahn neben mir, dann schließe ich die Augen und wünsche mir etwas: Ich möchte einfach nur hier raus.
    Eine leise Stimme in mir sagt: Genau das wollte Oliver auch .
    Da muss ich noch heftiger weinen.
    Der einzige Mensch, der versteht, wie ich mich jetzt fühle, ist genau derjenige, den ich angebrüllt habe und von dem ich weggelaufen bin.
    »Ich muss zurück und mit ihm reden«, sage ich laut. Doch als ich im Begriff bin, aufzustehen, packt mich etwas am Handgelenk und zieht mich kopfüber ins Meer.
    Voller Panik strample ich und schlage um mich, um zurück an die Oberfläche zu gelangen, trotzdem sinke ich schnell nach unten. Ich schreie und schlucke dabei Wasser. Und wenn ich nun ertrinke? Und wenn ich nun hier sterbe? In dem verzweifelten Bemühen, mich zu retten, strample ich noch heftiger.
    Ein Hai kommt auf mich zugeschwommen. Ich werde ganz ruhig, als ich sehe, wie der silberne Körper das Wasser durchschneidet wie ein Messer die Butter. Seine schwarzen Augen fixieren mich, während ich versuche, mir alles ins Gedächtnis zu rufen, was ich in Fernsehdokumentationen über Haie gelernt habe. Soll ich ihm auf die Nase schlagen oder in die Augen stechen, was ist besser?
    Der Hai schnappt so dicht neben mir zu, dass das Wasser wie von einem Vakuum angesaugt wird und die Härchen auf meinen Armen in Bewegung geraten. Bevor er mich noch einmal ansteuern kann, wickelt sich etwas um meine Handgelenke und meine Taille und hält mich fest. Ich will es abschütteln, doch dann höre ich eine Stimme. »Kämpf nicht dagegen an«, zischt eine Frau. Jetzt merke ich, dass meine Fesseln Strähnen ihrer langen, schweren Haare sind. Ihr Gesicht, direkt vor meinem, ist hohläugig und furchterregend. Auf ihren Wangen kräuseln sich Kiemen. Ihre ganze untere Hälfte ist ein dicker, muskulöser Schwanz.
    Eigentlich sollte ich jetzt Arielle und Fabius dabei zusehen, wie sie fröhlich über den Bildschirm tanzen. Ich öffne den Mund zu einem weiteren sinnlosen Schrei, aber die Meerjungfrau packt mein Gesicht und drückt mir einen dicken Kuss auf die Lippen.
    »Was soll das?«, sage ich spuckend und stoße mich von ihr weg. Dann fallen mir zwei Dinge auf: Der Hai ist weggeschwommen. Und ich kann atmen.
    Es ist, als würde ich einen Astronautenhelm tragen. Versuchsweise mache ich ein paar Atemzüge und hole dann tief Luft. »Wie hast du … ich meine …«
    Allmählich klärt sich meine Sicht unter Wasser

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