Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
Vom Netzwerk:
Ondine. »Mach ihm klar, was er zu verlieren hat.«
    Das erinnert mich an das Ende meiner ersten Unterhaltung mit Oliver, als er mich herumkommandiert und wie seine Untergebene behandelt hat, nur weil er ein Prinz ist. Ihm war überhaupt nicht klar, dass ich das Buch jederzeit zuschlagen konnte. Aber jetzt sitze ich nicht mehr am längeren Hebel … und das brauche ich auch gar nicht. Jetzt sind wir ebenbürtig.
    »O Gott«, sagt Marina, »seht nur ihren verträumten Blick.«
    Ich hatte geglaubt, ich würde Oliver verstehen, aber das war eigentlich gar nicht der Fall – jedenfalls nicht, bevor ich gegen meinen Willen hierher verschleppt wurde. Gefangen in dieser Welt, aus der er unbedingt entkommen will, spüre ich jetzt am eigenen Leib, um was es für ihn geht.
    Vielleicht wäre ich an seiner Stelle ebenso verzweifelt gewesen. Vielleicht hätte ich ihn dann auch in das Buch zeichnen lassen.
    »Ich muss ihn finden«, verkünde ich.
    »Bist du sicher?«, fragt Kyrie. »Andere Mütter haben auch schöne Söhne.«
    »Aber keinen wie ihn«, beharre ich. Ich sehe die Meerjungfrauen an. »Danke. Für eure Gastfreundschaft und den Sauerstoff. Aber ich muss jetzt nach oben.«
    Marina schmunzelt. »Nicht in diesem Aufzug. Du hast ja quasi nur Unterwäsche am Leib.«
    Warum reibt mir das hier eigentlich jeder unter die Nase?
    Bevor ich protestieren kann, haken sich Kyrie und Ondine bei mir unter und tauchen mit mir tiefer hinab ins Meer, auf den Eingang ihrer Unterwasserhöhle zu. In der Höhle erkenne ich die kleine, runde Treibholztür, hinter der sich die Skelettsammlung befindet.
    Sie ziehen mich durch eine Spalte, die ich von einer Illustration kenne – nur dass es kein Bild davon gibt, was mich dahinter erwartet. Das kleine Kämmerchen ist angefüllt mit Golddublonen, juwelenbesetzten Pokalen und Bergen schimmernder Edelsteine. »Das … das ist ja ein Vermögen wert!«, staune ich.
    Marina nickt. »Wenn Schiffe am Kap der Gezeiten zerschellen, sammeln wir auf, was von ihnen übrig ist.« Sie greift nach einem Diamantdiadem. »Man weiß ja nie, wann man das Zeug noch einmal braucht.«

    Kyrie taucht in einen Haufen glänzender Münzen, woraufhin die Dublonen in Zeitlupe durchs Wasser schweben. Kurz darauf kommt sie wieder nach oben, einen indigoblauen Samtstoff in der Hand. »Das hier müsste deine Augen gut zur Geltung bringen«, sagt sie und schüttelt ein Kleid mit Spitzenbesatz an Ärmeln und Kragen aus. Das Mieder ist über und über mit Goldstickerei verziert. Es ist das schönste Kleid, das ich je gesehen habe.
    Ondine öffnet das Mieder, während mir Kyrie aus den Kleidern hilft. Ich steige in den Haufen bauschenden Stoffes. Die Meerjungfrauen ziehen das Kleid an mir hoch und schnüren mich hinein. Dann schwimmen sie ein Stück weg, um mich zu begutachten.
    »Was?«, sage ich. »Sieht es hässlich aus?«
    »Da fehlt noch was …«, überlegt Marina. Sie greift in ein hölzernes Kästchen neben sich und zieht eine Perlenschnur heraus, die sie mir um den Hals legt. »Na also. Perfekt .«
    »Findest du?«, frage ich scheu, und statt einer Antwort nehmen sie mich wieder an den Armen und bringen mich hinaus aus der Unterwasserhöhle, hinauf an die Oberfläche. Im Nu sitze ich wieder auf dem gleichen Felsen, auf dem ich mir zuvor die Augen ausgeweint habe.
    Neugierig betrachte ich mein Spiegelbild im Wasser. Ich sehe atemberaubend aus, wenn auch ein wenig feucht.
    Die Meerjungfrauen schaukeln in den Wellen, ihr am Kopf klebendes Haar glitzert in der Sonne. »Dieses Mal«, prophezeit Marina, »wird der Typ dich nicht mehr aus den Augen lassen.«
    Das hoffe ich. Ich möchte nach Hause, aber Oliver soll mitkommen. Und das bedeutet, dass sich jeder beim anderen entschuldigen muss.
    » Ich kann euch nicht genug danken«, sage ich und blicke die Meerjungfrauen der Reihe nach an.
    Sie seufzen auf, oder vielleicht ist es auch das Geräusch des Wassers, das gegen die Felsen schlägt, denn als ich noch einmal hinsehe, sind sie verschwunden, und wenn ich nicht ein sehr schönes, sehr nasses Kleid tragen würde, würde ich glauben, ich hätte mir das Ganze nur eingebildet.
    Ich befinde mich auf halbem Weg zurück zum Schloss, als der Boden unter meinen Füßen zu beben beginnt. Weil ich an ein Gewitter denke, blicke ich zum Himmel, wo ich jedoch nur herabbaumelnde Wortfragmente erkenne. Dann sehe ich eine Staubwolke und höre aus der Ferne ein Wiehern, und ich kann Oliver ausmachen, der in halsbrecherischem Tempo auf mich

Weitere Kostenlose Bücher