Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Buch geschrieben hat«, erzähle ich Edgar. Dann hole ich tief Luft und platze heraus: »Darf ich dich was fragen, was dir ein bisschen seltsam vorkommen wird?«
»Sicher.«
»Wenn du Battle Zorg 2000 spielst, hast du dann manchmal das Gefühl, Teil davon zu sein?«
Edgar nickt. »Ja, klar. Sonst könnte ich gar nicht so viele Punkte machen.«
»Nein … ich meine, wünschst du dir manchmal, in dem Spiel drin zu sein?«
Erst habe ich Bedenken, ihm in die Augen zu schauen, doch als ich es schließlich tue, sieht mich Edgar sehr eindringlich an. »Manchmal«, gibt er leise zu, »ist es, als könnte ich hören, wie die Kommandeure mit mir sprechen und mir sagen, was als Nächstes zu tun ist.«
Ich lege meine Hand auf seinen Arm. »Edgar, darf ich dir was zeigen?«
Ich renne ins Nebenzimmer und krieche auf das Gästebett. Das Buch ist immer noch auf Seite 43 aufgeschlagen und Oliver liegt schnarchend auf dem Rücken. »Oliver«, flüstere ich, ganz dicht über die Bindung gebeugt. Dann rufe ich: » Wach auf !«
Er fährt hoch und stößt sich den Kopf an einem niedrigen Ast, der aus dem Fels ragt. Als er sich die schmerzende Stelle reibt, zuckt er zusammen, dann blickt er zu mir hoch. »Nur der Klarheit halber, wenn du sagst, du kommst gleich wieder, heißt das dann irgendwann im nächsten Jahrtausend?«
»Ich wurde aufgehalten. Aber hör zu, Oliver, ich will, dass du jemanden kennenlernst.« Ich schnappe mir das Buch und trage es in Edgars Zimmer.
»Was? Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Mich hört doch nie jemand und du wirkst dann erst recht verrückt.«
»Danke«, sage ich sarkastisch. Ich biege um die Ecke und betrete erneut Edgars Zimmer. »Mein Bauchgefühl rät mir dazu.«
»Wozu?«, fragt Edgar.
Ich lege das Buch auf den Tisch. »Ich habe nicht mit dir geredet«, erkläre ich. »Sondern mit ihm.« Dabei deute ich auf Oliver, der lächelt.
Edgar schaut erst das Buch an und dann mich. »Im Ernst? Du meinst, das Märchen meiner Mom redet mit dir?«
»Warte doch mal eine Sekunde«, bitte ich ihn. »Nie hört ihn jemand anderes reden – und zwar weil niemand wirklich hinhört. Aber nach dem, was du mir von deinem Computerspiel erzählt hast, denke ich, du bist vielleicht anders. Bitte! Probier es doch einmal.«
»Besonders attraktiv ist der nicht«, sagt Oliver verschnupft.
»Oliver, ihr gleicht euch wie ein Ei dem anderen«, flüstere ich.
Edgar verschränkt die Arme. »Hör mal, du Schönling, meine Mutter hat dich nach meinem Vorbild gezeichnet.«
Ich keuche auf. »Du hast ihn gehört? Du hast Oliver reden gehört?«
Edgars Augen werden ganz groß und er tritt einen Schritt zurück, als wollte er dem Buch nicht zu nahe kommen. Er schlägt sich mit der flachen Hand seitlich an den Kopf, wie man es tut, wenn man Wasser ins Ohr bekommen hat und es herausschütteln will. »Nein, nein, nein, nein «, murmelt er tonlos. »Das ist jetzt nicht passiert.«
»Doch!«, sage ich und nehme seinen Arm. »Ich weiß, es scheint verrückt und unmöglich, aber du musst mir glauben – es ist real. Er ist real. Und ich habe ihm versprochen, ihm aus diesem Buch herauszuhelfen.«
Unfassbar. Wenn ich nicht die Einzige bin, die Oliver hören kann, dann gibt es jetzt einen Menschen, der mir helfen kann, ihn zu retten. Und trotzdem spüre ich einen kleinen Stich in der Brust bei dem Gedanken, dass ich nicht die Einzige bin, die Oliver hört. Dadurch wird die Verbindung zwischen uns ein bisschen weniger einzigartig.
»Was ist das denn?« Olivers Augen glänzen. Ich folge ihnen mit dem Blick vom Rand der Seite zu dem Computerbildschirm, auf dem nun nach dem Neustart eine riesige Armee von Außerirdischen zu sehen ist, die die Erde angreift.
»Battle Zorg 2000«, erwidere ich. »Ein Computerspiel.«
»Wie kommen all die kleinen Menschen in den Kasten?«
Ich werde Oliver jetzt keinen Vortrag über Elektronik halten. »Erklär ich dir später. Jetzt brauchst du nur zu wissen, dass dieser kleine Kasten die Maschine ist, die Jessamyn Jacobs benutzt hat, als sie Mein Herz zwischen den Zeilen geschrieben hat. Die Originalgeschichte ist immer noch da drin.«
»Und?« Edgar und Oliver sprechen unisono – und blicken sich dann an.
»Oliver, du konntest das Ende des Buches nicht ändern. Und Jessamyn Jacobs ist wohl nicht willens , das Ende des Buches zu ändern.« Ich warte, bis er mir in die Augen sieht. »Aber ich werde es versuchen.«
Seite 52
Im Kerker tief unten im Turm von Timble, wo ihm im
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