Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
nein.«
Er wühlt in seinem Schreibtisch nach einem zweiten Gamepad. »Dann werde ich es dir wohl beibringen müssen.«
Er arbeitet sich durch das Startmenü des Spiels, um es auf den Mehrspielermodus einzustellen. »Normalerweise spiele ich allein«, sagt er beiläufig. »Was die Punkte betrifft, bin ich tatsächlich so was wie eine Legende.«
Ich lasse mir von Edgar erklären, dass Galaktoiden vom Planeten Zugon auf der Erde die Macht übernehmen wollen. »Unser Job«, sagt er, »besteht darin, sie zu töten, bevor sie eine mental gesteuerte Ozonbombe im San-Andreas-Graben platzieren oder ein Kraftfeld schaffen können, das jeden, der damit in Kontakt kommt, augenblicklich zu Asche verbrennt.«
Es erinnert mich an das Pandämonium.
»Wenn du es an ihren Fußsoldaten vorbeischaffst«, fährt Edgar fort, »erhältst du Zugang zur Astrokammer, wo du vierzehn Aufgaben erfüllen musst, um Zorg gegenübertreten zu können.«
»Wer ist Zorg?«, frage ich.
Er prustet. »Einer der größten, bösesten Roboter-Androiden-Hybriden in der Aphelion-Galaxie!«
Vorsichtig greife ich nach dem Gamepad und drücke einen Knopf. »Nein!«, ruft er. »Erst müssen wir deinen Avatar erschaffen!«
Mit ein paar Klicks werde ich zu Aurora Axis, einer Geophysikerin aus Washington, D . C. Ich folge Edgars Avatar durch die Level des Spiels, werde jedoch ziemlich bald durch einen tieffliegenden Asteroiden außer Gefecht gesetzt. »Mist!«, sage ich, wütend auf mich selbst. »Das hätte ich sehen müssen.«
Edgar grinst. »Ein bisschen Übung braucht man schon.«
Eine Dreiviertelstunde lang kämpfen wir mit einem Arsenal an Waffen gegen Aliens. Ich werde so oft getötet, dass ich den Überblick verliere. Schließlich, als ich schon gar nicht mehr daran glaube, nehmen Edgar und ich gemeinsam eine Amazone aus Sternenlicht in die Zange, die elektromagnetische Strahlen aus ihren Fingern abschießt. Es gelingt uns, sie in einem Mikrometeoritensee zu ertränken, und auf einmal erhalten wir Zugang zur Astrokammer.
»Ja!«, brüllen wir beide gerade, als sich die Tür zu Edgars Zimmer öffnet.
»Edgar!«, schreit Jessamyn. »Weißt du, wo … Oh!« Sie sieht mich an, dann Edgar, dann wieder mich. »Du bist also hier.«
Edgar wirbelt in seinem Sessel herum. »Sie wollte spielen lernen.«
Ich grinse. »Wie sich herausgestellt hat, bin ich ein Naturtalent mit dem Neutrinostrahl.«
Jessamyn wirkt überrascht – über meinen Kommentar und vielleicht auch über die Tatsache, dass ihr Sohn eine Freundin gewonnen hat. »Gut!«, sagt sie. »Braucht ihr noch was? Kekse? Milch?«
»Unsere Ruhe?«, schlägt Edgar vor.
Jessamyn zieht ab, und Edgar schnappt sich wieder sein Gamepad. »Peinlich«, sagt er. »Tja, wo waren wir stehen geblieben … »
»Wir waren kurz davor, Zorg in den Hintern zu treten«, antworte ich.
Edgar zeigt zum Bildschirm, aber der flimmert nur noch neongrün. »Mist«, murmelt er. »Nicht schon wieder.«
»Was ist denn los?«
»Blöde alte Kiste. Hängt sich andauernd auf. Hoffe nur, unser Spiel ist gespeichert …« Er beginnt, Knöpfe zu drücken, und startet das System neu. »Meine Mom will nicht, dass ich meine Spiele auf ihren neuen Computer lade, sie sagt, die brauchen viel zu viel Speicher, darum muss ich mich mit diesem Dinosaurier hier begnügen.«
»Ich finde, der sieht gar nicht so alt aus …«
»Weil er auf dem neuesten Stand der Technik war, als meine Mom noch ihre Bücher darauf getippt hat. Aber glaub mir, ich musste die Kiste erst mit einer leistungsfähigeren Grafikkarte und Lautsprechern ausrüsten, damit Zorg 2000 darauf läuft.«
Hellhörig geworden, setze ich mich auf. »Das ist früher der Computer deiner Mom gewesen?«
»Ja, warum?«
»Weißt du, ob noch alte Dateien drauf sind?«
»Ja«, sagt Edgar. »Sie erlaubt nicht, dass ich sie lösche.« Er verdreht die Augen. »Jedes Mal, wenn ich ein Spiel starte, ploppt dieses blöde Märchen auf. Mein Herz zwischen den Zeilen. «
Ich beuge mich vor. »Du magst die Geschichte nicht?«
»Ich hasse sie«, sagt Edgar. »Wie würdest du dich fühlen, wenn alle Welt wüsste, dass deine Mutter dich für einen Loser hält?«
»Ich bin sicher, das tut sie nicht …«
»Sie hat diesen idiotischen Prinzen erfunden, weil sie sich gewünscht hat, ich wäre mehr wie er. Aber ich werde keinen Drachen fangen und ihn dazu überreden, sich die Zähne behandeln zu lassen. Ich bin einfach nicht der Märchen-Typ.«
»Ich bin hier, weil deine Mutter dieses
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