Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Nation zugänglich sein. Das waren die neuen »Fischer«-Bretter natürlich auch. Der Österreicher Andreas Goldberger zum Beispiel testete sie auch sehr bald, kam aber mit den neuen Dingern nicht zurecht. Das »bisschen« mehr Fläche, das er mit seinem Sprungstil in den Wind stellte, bremste ihn.
Ich aber wusste, dass ich mich in Vikersund auf die »Surfbretter« verlassen konnte.
»Endlich habe ich etwas Großes gewonnen«
Bei aller Technologie, die den Hightech-Sport Skispringen beeinflussen kann: »Das Entscheidende ist immer die Symbiose zwischen Mensch und Material.« So pflegte es auch Reinhard Heß stets zu sagen. »Nur das Gesamtsystem fliegt, und nicht ein einzelnes Teil davon.«
Es ist immer noch der Athlet, der den Sieg herausspringen muss. Und dies ist mir auf dem Monster-Bakken in Vikersund gelungen. Spätestens mit diesem Weltmeistertitel im Februar 2000 war ich in der Weltspitze angekommen. Dieser Sieg wurde zu meinem bisher größten Erfolg. Noch ganz berauscht, sagte ich im ersten Interview: »Das waren Flüge nahe an den Mond, obwohl die Beine mir wegen des Drucks schon etwas gewackelt haben. Schließlich wusste ich, dass ich eine Chance habe. Jetzt habe ich endlich etwas Großes gewonnen. Diese Goldmedaille übertrifft alles.«
Dabei konnte ich mich zu diesem Zeitpunkt wahrlich schon über ein paar tolle Resultate freuen. Immerhin hatte ich es in den letzten zwei Jahren bereits bei elf Weltcupspringen aufs Podium geschafft: Vier dritte Plätze, drei zweite Plätze; und in Oberstdorf, und beim Sommer-Grand-Prix daheim in Hinterzarten hatte ich sogar (mit neuem Schanzenrekord) gewonnen.
Und dann waren da ja noch zwei wirklich große Erfolge: die Silbermedaille in einem wahren Skisprung-Krimi bei den Olympischen Spielen in Nagano (1998), hinter den Japanern und vor den Österreichern. Und der vollkommen überraschende Weltmeistertitel in Bischofshofen (1999), beide Medaillen gewann ich mit dem Team. Meine erstes Statement damals: »Ich fühle mich traumhaft, das waren zwei geile Granaten.«
Bleibende Erinnerung: mit meinem Hund Dexter vor der Ehrentafel an der Adlerschanze in Hinterzarten
Die Geburt der »deutschen Adler«
In unserer Mannschaft gab es zu dieser Zeit schon einen, den die Medien als ihren Liebling feierten – und der war nicht ich. Sondern Martin Schmitt. In den 16 Monaten von November 1998 bis Februar 2000 hatte der ruhige und untadelige Martin aus Tannheim, einem Ortsteil von Villingen-Schwenningen, erstaunliche 18 seiner insgesamt 28 Weltcupspringen gewonnen und sich unter dem Beinamen »Air Martin« in die Herzen der Nation gesprungen.
»Wie ein Geschenk des Himmels war dieser Prachtkerl den Adlern des Deutschen Skiverbandes (DSV) vorigen Winter ins Nest gefallen«, frohlockte »Der Spiegel« und lobte weiter: »Endlich war dem deutschen Sport mal wieder ein Siegertyp erwachsen, für den man sich nicht schämen muss.« Wir, die deutschen Skispringer, setzten wohl gerade im richtigen Moment zu unseren Höhenflügen an. Denn neben den arrivierten Sporthelden Michael Schumacher und Franziska van Almsick waren gerade ein paar Plätze vakant, nachdem Boris Becker und Steffi Graf abgetreten waren.
»Die Formel 1 des Winters«
Mit seiner frischen Art, als netter Kerl von nebenan, füllte Martin Schmitt fortan die Vorbildlücke als Erster. Und wertete gleichzeitig die ganze Disziplin Skispringen auf.
Es war sicherlich ein Glücksfall, dass jetzt auch der Fernsehsender RTL ins Spiel kam. Als RTL ein paar Jahre zuvor die Rechte für die Formel 1 gekauft hatte, war Autorennen in Deutschland noch keine große Nummer. Aber die Kölner machten die Formel 1 zum Quotenhit und Michael Schumacher zum Superstar.
Jetzt wollte RTL auch im Winter besonders attraktiven Sport übertragen. Skispringen mit seinen wagemutigen Athleten, schien für ein Millionenpublikum bestens geeignet. Zum 1. Januar 2000 kaufte RTL für drei Jahre und für 48,5 Millionen Mark vom Deutschen Skiverband die Skisprung-Übertragungsrechte, während sie die Rechte an den Weltcups im früher weit beliebteren alpinen Skisport an ARD, ZDF und Eurosport weiterreichten, ebenso Skilanglauf und die Nordische Kombination.
Skispringen wurde ab sofort als »Formel 1 des Winters« aufgebaut und über den ganzen Tag mit knackigen Spots beworben. Das DSV-Team Skispringer wurde als »die deutschen Adler« oder als »Boygroup im Schnee« präsentiert und höchst professionell vermarktet. Mit enormem Produktionsaufwand wurde
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