Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Sprühpflaster und Bügelfolie, setzte sich einen besonders großen Helm auf, um mehr Luftwiderstand zu haben. Aber all diese Tricks brachten nichts wirklich Nennenswertes.
Besonderes Augenmerk galt immer schon den Sprungskiern, den Bindungen und den Sprunganzügen. Denn sehr gutes Material kann den Unterschied machen. Nun gibt es für die Skispringer von der FIS ein strenges Reglement. Doch die Grenzen zwischen einem klaren Regelverstoß und einer cleveren Regelauslegung sind fließend. Deshalb müssen die Regeln ja auch ständig verändert und der neuen Situation angepasst werden. Es war immer ein beliebtes Spiel, Lücken zu entdecken, um sie vorteilhaft auszunutzen.
»Kaum eine Sportart ist dem Zufall so ausgeliefert wie das Skispringen. Seine Exzellenz, der Wind, liebt es, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen.« Toni Innauer, Olympiasieger 1980
Die Spielchen mit den Sprunganzügen
Bei der Optimierung der Sprunganzüge waren die Deutschen führend. Sprunganzüge sind ja viel mehr als nur funktionelle Bekleidung, sie sind ganz wichtiger Bestandteil für erfolgreiche Wettkämpfe. Je mehr Stoff ein Athlet um sich hüllt, desto größer kann das Polster werden, das der Wind tragen kann. Was dann auch mehr Weite bedeutet.
Die Ganzkörperanzüge, die für mich entwickelt und von der Firma Meininger maßgeschneidert wurden, reichten im Schritt fast zu den Knien – das Reglement ließ damals noch so großzügige Schnitte zu.
Der fünfköpfige Familienbetrieb im unterfränkischen Bessenbach belieferte seit Jahren auch das japanische, finnische oder das polnische Team mit speziellen Stoffen aus Mehrkomponenten-Material, die aus fünf Schichten bestanden, und schneiderte für sie Anzüge. Auf die trickreichen Österreicher waren die Meiningers zwischenzeitlich mal sauer, weil die im Sommer 50 Meter Stoff angeblich für Testzwecke gekauft hatten und damit selber schneiderten. Als sie Nachschub wollten, wurde daraus nichts: »Wir brauchen jeden Zentimeter für die Deutschen.«
Was nicht verboten ist, ist erlaubt
Vor 20 Jahren durfte ein Springeranzug noch einen Zentimeter dick sein. Das erzeugte einen größeren Luftwiderstand als bei dünneren Stoffen, man lag besser in der Luft. Dadurch waren natürlich weitere Sprünge möglich. 1998 lag die erlaubte Stoffdicke dann nur noch bei acht Millimetern (und heute sind es gerade noch fünf Millimeter).
Auch die Überprüfung des Materials vor dem Wettkampf ist strenger geworden. Die Luftdurchlässigkeit des Anzugs wurde früher nur einmal gemessen, beim Plombieren des Anzugs. Anschließend konnte man problemlos Teile des Anzugs austauschen oder den Anzug so präparieren, dass weniger Luft durch den Stoff strömte. Heute werden die Anzüge nach jedem Sprung kontrolliert. Der Anzug muss mindestens 40 Liter Luft durchlassen. Ein Toleranzspielraum (früher 10 Liter) wurde abgeschafft.
Die Größe des Anzugs wurde früher durch drei Messpunkte (Brust, Bauch und Oberschenkel) kontrolliert. Heute darf der Anzug am ganzen Körper nicht weiter als zwei Zentimeter vom Körpermaß entfernt sein.
Wolfgang Steiert, unser Cotrainer, war wirklich ein Fuchs. Zusammen mit dem Bundestrainer studierte er vor Beginn der Saison immer routinemäßig das Reglement der FIS. Was Wettkampfordnung, Schanzenausstattung, Richtlinien für Weitenmessen oder Ausrüstung betrifft: Alles, aber auch alles ist haarklein in etlichen Paragrafen festgeschrieben. Allein die letzte ergänzende Präzisierung der Ausstattung der Sprunganzüge würde in diesem Buch drei Seiten umfassen.
Unsere pfiffigen Trainer fanden vor der Saison 1999/2000 heraus, dass das Reglement für den »Skibau« unklar formuliert worden war. Es gab damals für die Bretter der Skispringer drei Messpunkte, an denen die vorgeschriebene Breite des Skis immer nachgeprüft wurde: Spitze, Mitte und Ende. Aber was war mit der Fläche dazwischen? Dazu stand nichts Konkretes in den Bestimmungen.
Eines Abends verabredete sich Wolfi Steiert zum Bier mit Franz Neuländtner von der Firma »Fischer«, um »Visionen aufzubauen«. »Fischer« baute für mich damals die Sprungski. Die beiden heckten schließlich einen Plan aus: Meine Bretter sollten bis auf das Stück unter der Bindung die volle Breite haben. Nur ein paar Zentimeter, aber das brachte einen entscheidenden Vorteil: Der Ski bot jetzt mehr Auftriebsfläche, immerhin 32 Quadratzentimeter, wie Messungen ergaben.
Nun müssen auch die Sprungskier prinzipiell für jeden Springer jeder
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