Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
überraschte alle. Trainer, Mannschaftskollegen und Medien. »Bild am Sonntag« meldete: »Wieder ein Athlet, der an den ›wolkenkratzerhohen Erwartungen‹ der Unterhaltungsware Sport zerbrochen war. Nach Sebastian Deisler, der schon früh zum Retter des deutschen Fußballs erkoren wurde, hat es nun ›Hanni‹ getroffen, den Superadler, den Herrn der Lüfte.«
Unseren Teamarzt Dr. Ernst Jakob habe ich teilweise von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Er erklärte auf einer Pressekonferenz: »Die Behandlung kann mehrere Wochen dauern, es hängt ganz davon ab, wie die Therapie anschlägt.«
Und dann gab er offiziell die Diagnose bekannt.
Burn-out.
Bei Fieber weiß ich, dass ich ins Bett muss. Bei einem Knochenbruch weiß ich, dass ich eine Schiene tragen muss. Bei der Diagnose wusste ich ja nicht, was auf mich zukommt. Mir war wichtig, dass das irgendwie einen Namen hat und dass die Leute wissen, wie sie mir helfen sollen.
Burn-out
Die Psyche hatte meinen Körper stillgelegt: welche Erfahrungen ich während meiner Therapie in der Klinik in Bad Grönenbach machte und wie sich der Prozess der Heilung hingezogen hat – über mehr als drei Jahre
Mein Lieblingsplatz, mit Blick auf die Allgäuer Alpen. Häufig ging ich die 15 Minuten von der Klinik zu diesem ruhigen Ort außerhalb von Bad Grönenbach und schaute in die Ferne.
Burn-out – bisher kannte ich den Begriff nicht. Ich wusste nicht, dass das Burn-out-Syndrom eine ernste, höchst komplizierte Erkrankung ist. Ich wusste nicht, dass immer mehr Menschen unter diesem Zustand der inneren Leere, der körperlichen und psychischen Erschöpfung leiden. Und mir war auch nicht bekannt, dass Mediziner den psychischen Zusammenbruch gerne mit einem Herzinfarkt vergleichen, weil in beiden Fällen das Herz und die Seele mit den Anforderungen, den Belastungen, dem Tempo, dem ganzen Stress nicht mehr zurechtkommen. Ich hatte keine Ahnung, dass dieses Ausgebranntsein nicht selten Betroffene sogar in den Selbstmord treiben kann.
Solche Gedanken hatte ich noch nicht. Aber ich war am Boden. Ich fühlte mich furchtbar schlapp und müde und voller innerer Unruhe, wie ein gehetztes Tier. Ich war unfähig geworden, froh zu sein. Ich fühlte mich innerlich wie erstarrt.
Manchmal musste ich weinen, einfach so, ohne einen konkreten Grund dafür zu haben. Was war nur schiefgelaufen? Warum hatte das Leben ausgerechnet zu mir, ausgerechnet jetzt »Stopp« gesagt? Warum war ich so am Ende? Ich hatte keine Ahnung. Und auch deshalb war ich so verzweifelt.
Hoffnung auf Heilung
Die Psyche hatte meinen Körper stillgelegt. Wie sollte es mit mir weitergehen? Was sollte aus mir werden? Mich plagten Zukunftsängste. Ich war fast unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Aber ich empfand es als eine Art Erlösung, als mich meine Eltern an diesem 27. April 2004 in der Klinik für Psychosomatische Medizin in Bad Grönenbach ablieferten.
Ein paar Tage vorher hatte mich Dr. Jürgen Klingelhöfer, der ärztliche Direktor, schon einmal durch die Klinik geführt, mir die Räumlichkeiten gezeigt. Und er hatte mir Nora Maasberg vorgestellt. Sie sollte in den nächsten Wochen meine wichtigste Bezugsperson werden – als meine Therapeutin. Von Anfang an hatte ich bei ihr ein gutes Gefühl. Ich empfand sie als eine Art Mutter, die gut zuhören, die mir Schutz und menschliche Wärme bieten kann – und von der ich Hoffnung auf Heilung erwarten durfte.
Jetzt war ich also hier. An einem Ort, an dem ich mich erholen und zu mir kommen sollte und an dem man mir hoffentlich helfen konnte. Ein junger Pfleger führte mich zu meinem Zimmer, das keineswegs wie ein Krankenzimmer wirkte, sondern eher wie ein luxuriöses Hotelzimmer eingerichtet war. Die Klinik liegt am Ortsrand von Bad Grönenbach auf einer leichten Anhöhe mit Blick auf die umgebenden Ortschaften und die hügelige Voralpenlandschaft. Ich betrat den Balkon und sah ein schönes Stück Natur um mich herum. Eine große Wiese, dahinter Wald. Über allem ein bayerisch weiß-blauer Himmel. Von Weitem war eine Kirchenuhr zu hören. Und da vorne rechts spazierten gemächlich ein paar Leute durch eine Allee zum Wald, zu zweit und auch allein. Waren es, wie ich, Patienten dieser Klinik?
Wie würde hier wohl mein Alltag aussehen? Was passierte mit mir in den nächsten Wochen? Ich hatte keine Ahnung. Ich war nur froh, endlich an diesem Ort der Ruhe zu sein. Ich wollte mich nur noch fallen lassen können. Und ich wollte bloß nicht
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