Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
auffallen.
Beim Aufnahmegespräch und beim Erstgespräch hatten wir die Rahmenbedingungen geklärt. Ich hatte kein gutes Gefühl, was die gängigen und wichtigen Gruppentherapien betraf. Ich befürchtete, dass vielleicht intime Details nach außen dringen könnten, und wollte nur Einzelsitzungen. Außerdem wurde ich in der Klinik unter einem anderem Namen geführt – nämlich als Sven Pöhler. Der Name aus meinen Anfangsjahren.
Mein Zimmer mit Aussicht in der Klinik Bad Grönenbach
Diese furchtbare Unruhe in mir
Ich werde die ersten Stunden in der Klinik nicht vergessen. Wie immer, wenn ich allein war, begann in mir eine innere Unruhe zu toben, diese furchtbare Unruhe, die mich fast verrückt machte. Ich war, wie immer in den letzten Wochen und Monaten, unerklärlich übernervös. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Hektisch ging ich im Zimmer auf und ab. Ich setzte mich und merkte, wie sich meine rechte Fußspitze jetzt wieder unkontrolliert auf dem Boden drehte und das ganze Bein wackeln ließ. Ich reagierte auf jedes Geräusch, störte mich an allem. Meine Gedanken kreisten immer um ein und dasselbe Thema: Warum ist die Unruhe bloß da? Ohne dass sich aus diesem Dreckskreislauf ein Ausweg fand.
Erst als ich nach dem Abendessen diese Tablette, ein Antidepressivum, genommen hatte, breitete sich nach etwa einer Stunde eine angenehme Ruhe in mir aus. Ich genoss diese heilige Ruhe. Mir schien es richtig gutzugehen und ich fragte mich, was ich hier eigentlich zu suchen hätte. Eigentlich könnte ich doch wieder nach Hause, jetzt, wo es mir doch gutging. Verrückt.
Das Medikament half mir auch, gut zu schlafen. Ich träumte. Von einem sorgenfreien, einem schönen Leben. Und als ich morgens aufwachte, riss der schöne Film. Zurück im Hier und Jetzt, kam der Horror sofort zurück. Diese furchtbare Unruhe nahm mich wieder in den Würgegriff, und es fehlte mir jeglicher Antrieb, den neuen Tag in Angriff zu nehmen. Er baute sich wie ein unüberwindbarer Berg vor mir auf: Der neue Tag begann mit dem typischen Morgentief.
Die erste Akupunkturnadel haute mich um
Ich war froh über jeden Termin, den ich in der Klinik hatte. Es waren jeden Tag mehrere. Die Ärzte und meine Therapeutin hatten mit mir das Behandlungsziel besprochen. Ich wollte und sollte zunächst zur Ruhe kommen und regenerieren. Denn das Ergebnis der Anamnese hatte ja gezeigt: Ich war nicht nur psychisch, sondern auch körperlich in einem desolaten Zustand, ich war vollkommen aus dem energetischen Gleichgewicht geraten.
Um wieder auf die Beine zu kommen, wurde für mich zunächst ein individuelles Behandlungskonzept mit Physiotherapie, Psychotherapie und verschiedenen naturheilkundlichen Verfahren erstellt: unter anderem eine F.-X.-Mayr-Kur, um zunächst die dramatische Übersäuerung des Körpers zu bereinigen; Kneippgüsse, um den Stoffwechsel anzuregen. Und Akupunktur, als eine der Methoden der Traditionellen Chinesischen
Medizin (TCM). Man erklärte mir, dass uns nach der Lehre der TCM normalerweise die Lebensenergie Qi ständig durchfließt, und zwar in bestimmten Bahnen,
den Akupunkturmeridianen. Diese sind nach dem Organ benannt, das sie versorgen.
Gleich beim ersten Mal, als mir Heike Esser, die Ärztin für Naturheilkunde, eine Akupunkturnadel unterhalb des rechten Knies auf den sogenannten Nierenmeridian setzte, hat es mich umgehauen. Kreislaufkollaps.
Eindeutiger hätte sich nicht zeigen können, wie schlecht es um mich stand. In den nächsten Wochen hatte ich 20 Sitzungen mit Heike, und die Akupunktur gelang, zunächst mit zwei bis vier, später mit acht Nadeln pro Sitzung.
Zwei Wochen lang bekam ich täglich eine Bauchmassage und drei- bis viermal pro Woche Fußreflexzonenmassagen. Außerdem täglich kalte Kniegüsse nach Kneipp. Die machte ich nur widerwillig mit, denn normalerweise bin ich eher ein Warmduscher.
Die Anamnese meiner Therapeutin Nora Maasberg, siehe 1. Kapitel
Mein altes Essverhalten war total verrückt
Und vor allem wurde meine massive Essstörung behandelt. Mein Essverhalten war ja total außer Kontrolle geraten. Ich verspürte weder Hunger noch Appetit. Wenn ich nur eine Kleinigkeit gegessen hatte, litt ich schon unter Völlegefühl. Ich hatte alles Mögliche ausprobiert, zuletzt die Blutgruppendiät. Schließlich stellte sich beim Urintest heraus, dass mein Körper dabei völlig übersäuert war. In den letzten Monaten hatte ich mich vorwiegend von Süßigkeiten ernährt. Schokolade machte mich high, dann aber
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