Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Zeit ein ums andere Mal diese Frage: Ist es vielleicht die Beziehung zu Suska, die zum Problem für mich geworden ist?
Ich hatte Suska zum ersten Mal im April 2002 in Hinterzarten getroffen. Im Kurhaus von »Hannizarten«, wie mein Wohnort jetzt vielerorts genannt wurde, präsentierte das ZDF mich als den Überflieger der Saison. Suska war mit ihrem Bruder, der beim ZDF arbeitete, in den Schwarzwald gekommen. Nach der offiziellen Party ging es im Restaurant »Holzschopf« noch weiter. Irgendwann fiel mir Suska auf: eine große, schlanke, attraktive Frau. Wir redeten, und sie wirkte temperamentvoll und sehr natürlich. Ihre Augen strahlten auf besondere Weise. Ich hatte sofort dieses Bamm-Gefühl, obwohl ich während meiner aktiven Zeit keine Freundin wollte. An diesem Abend sagte ich zu Christian Schnabel, meinem Freund aus Furtwanger Zeiten: »Ich glaube, das könnte doch was werden.«
Aber es dauerte ein Jahr, bis es was mit Suska wurde. Wir verloren uns aus den Augen. Und ich hatte zu viel mit mir selbst zu tun, deshalb bemühte ich mich nicht, sie zu finden. Und sie war als Stewardess viel unterwegs. Erst am Dreikönigstag 2003 lud ich Suska nach St. Johann ein, um zusammen den Abschluss der Vierschanzentournee zu feiern. Zwei Wochen später präsentierte uns die BILD-Zeitung als ein Paar.
Symbol aus besseren Zeiten: Kurzfristig hatte mein Heimatort Hinterzarten sich in Hannizarten umbenannt. Ein Fan schickte mir ein liebevoll erstelltes Fotoalbum vom Empfang in Hinterzarten nach dem Ende der Supersaison 2001/2002.
Im Nirgendwo
Im Herbst ist Suska zu mir nach Hinterzarten gezogen, in meine 38-Quadratmeter-Bude. Im Dezember bezogen wir gemeinsam eine größere Eigentumswohnung. Es war für mich schön, nach Hause zu kommen; da war jetzt nicht nur der Fernseher und das Sofa, sondern auch eine Frau. Sie war meine erste Freundin. Sie tat mir sehr gut. Aber es war ein schlechter Zeitpunkt, als sie begann, in meinem Leben eine Hauptrolle zu spielen.
Ich war verzweifelt. Weil meine sportlichen Erfolge ausblieben. Weil ich nicht wusste, warum das so war. Weil ich nicht wusste, warum ich mich so antriebslos und so schwach fühlte. Weil mir keiner sagen konnte, was mit mir los war. Ich rannte von Arzt zu Arzt und erzählte jedes Mal aufs Neue meine Leidensgeschichte. Sie stellten alles Mögliche mit mir an. Darmspiegelung. Magenspiegelung. Großes Blutbild, kleines Blutbild, Röntgenuntersuchungen.
Ich hoffte so sehr, dass mir mal einer erklären könnte, was eigentlich mit mir los war. Hatte ich vielleicht Krebs? Selbst so eine Diagnose wäre für mich noch eine Befreiung gewesen – dann hätte ich wenigstens endlich Klarheit gehabt.
Am letzten Februar-Wochenende startete ich beim Weltcup in Park City in den USA, belegte Platz 47 und beendete vorzeitig die Saison. Danach war ich wirklich total verzweifelt. Und jetzt zweifelte ich sogar daran, ob die Beziehung zu Suska in dieser Situation guttat. Denn ich wollte nur noch allein sein.
Einmal fragte ich Suska, ob sie diesen Winter nicht lieber wieder bei ihren Eltern in Wiesbaden wohnen wolle. Heute denke ich: »So was kannst du doch nicht bringen.« Aber damals brachte ich es fertig.
Nachts fing ich an zu weinen
Ende März 2004 flogen Suska und ich nach Barcelona, um zehn Tage Urlaub zu machen. Der Osterurlaub hätte so schön werden können. Wir wohnten im Ferienhaus ihrer Eltern, ganz nah am Mittelmeer. Aber ich konnte mich einfach nicht über unsere gemeinsame Zeit freuen. Tagsüber steigerte ich mich in eine idiotische Aufgabe, nur um mich abzulenken von einer Scheiß-Unruhe, die mich in den Würgegriff nahm: Ich fegte das ganze Grundstück, sammelte das Laub in fünf großen blauen Säcken ein. Nachts wachte ich immer wieder auf und fing an zu weinen. Weil ich mir nicht erklären konnte, was mit mir los war. Weil ich es Suska nicht verständlich machen konnte. Weil ich mich so vollkommen hilflos fühlte in dieser ausweglosen Situation. Weil ich mich am Ende fühlte.
Wir flogen ein paar Tage früher zurück als geplant. Suskas Mutter schickte mich in Wiesbaden zu einem Arzt ihres Vertrauens. Ich erzählte ihm, wie es um mich stand. Nach einer Stunde sagte der Arzt: »An Ihrer Stelle würde ich mich in eine Klinik begeben.«
Das Büro meines Managers teilte offiziell mit: »Sven Hannawald war dem auf ihm lastenden Druck der letzten Zeit nicht mehr gewachsen und hat sich auf Grund dessen auf eigenen Wunsch in eine Spezialklinik begeben.«
Die Nachricht
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